Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
Halt.
Zu Anfang hatte er kaum Schwierigkeiten mit dem Aufstieg. Aber nachdem er etwa die Hälfte der Felswand hinter sich hatte, verließen ihn seine Kräfte. Nach einem weiteren Meter war es vorbei. Sein Fuß glitt von einer runden Felsnase ab, auf die er sein Gewicht gebracht hatte. Der Ruck, mit dem seine Beine ihn nach unten zogen, war so stark, dass seine Finger aus der Spalte gerissen wurden, an die er sich festgeklammert hatte. Er stürzte ab und schlug schwer auf dem Felsen vor der Höhle auf. Regungslos blieb er liegen.
Als sein Bruder Bak ihn fand, war er dem Tode näher als dem Leben. Doch Alep erholte sich schnell von seinen schweren Verletzungen, und schon wenige Tage später konnte er seiner Familie erzählen, was passiert war. Obwohl er sein einsames Abenteuer ausführlich beschrieb, blieb vieles von dem, was er erlebt hatte, rätselhaft. Außer seinen Großeltern und natürlich Rina wollte niemand seine Geschichte glauben, obwohl jeder die Drachenschuppen eingehend betrachtet und bewundert hatte.
Mit diesen Drachenschuppen verband Alep den festen Glauben, dass es mehr gab, als ein Leben auf dem väterlichen Hof. Anders als sein Vater erachtete er die Magie als ein Geschenk für die Menschen, und nichts kam den Männern und Frauen gleich, die diese geheimnisvolle Kraft beherrschten.
Alep fielen Großmutters Erklärungen über die Magie wieder ein. Etwas daran war seltsam und er wandte sich an sie: „Ich dachte immer, dass die Magie nur von wenigen Menschen ausgeübt werden kann, die über eine bestimmte, seltene Fähigkeit verfügen; dass die Magie sozusagen in ihnen ist. Doch so wie du es beschrieben hast, ist die Magie etwas eigenständiges, wie...“, Alep sucht nach einem Vergleich, „.. wie die Luft, die um uns ist, und von jedem eingeatmet werden kann. Heißt das, dass jeder zaubern kann?“
„Ja und nein“, erwiderte die alte Frau. „Es ist richtig, dass die Magie allgegenwärtig ist, aber nicht jeder kann sich ihre Kraft zunutze machen. Niemand weiß, was den einen in die Lage versetzt, sie anzuwenden und den anderen nicht. So wie dein Freund Kwin ein begabter Tischler ist, Bak hingegen ein ausgezeichneter Bauer.“
In der großen Küche war es still geworden und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Alep wandte sich an seinen Großvater: „Sag mir, wie stehst du zur Magie?“
Opa Elders zuckte die Schultern. „Sie ist mir gleich“, erklärte er gönnerhaft, während er sich über die Bartstoppeln am Kinn strich. „Weißt du, mit der Magie ist das so eine Sache.“
Plötzlich flog die Tür auf und schlug mit einem lauten Krachen gegen die Wand, so dass alle erschreckt zusammenzuckten. Alep, der mit dem Rücken zur Tür saß, erstarrte. Ohne sich umdrehen zu müssen, wusste er, wer da ungebeten angekommen war.
In der Tür stand, mit blitzenden gelben Augen und die ewig lange Nase rümpfend, der Golem. „Die Magie“, erklärte er belehrend, „beschützt das Leben“, und vollendete so Opa Elders Satz.
„Das ist der Golem Knoll!“, sagte Alep
„Eben!“
Alle wirkten sie unsicher beim Anblick des Golems. Nur Oma und Opa Elders bewahrten ihre Ruhe. Dann sagte Oma Elders - sehr zur Überraschung aller und nicht zuletzt des Golems: „Was stehst du da in der offenen Tür? Der Wind trägt all den Staub von draußen herein. Komm und setz' dich an den Tisch!“
Trotz Großmutters Worten und Großvaters gelassenen Blicken breitete sich eine unangenehme Spannung aus. Vor allen anderen schien Bak willens und bereit, Leben und Besitz der Familie zu verteidigen. In der rechten Hand hielt er sein Frühstücksmesser wie einen Dolch, bereit aufzuspringen und zuzustoßen. Bak folgte jeder Bewegung des Golems misstrauisch.
Der Golem umrundete den Tisch und bestieg den Stuhl.
„Hast du nicht gesagt, seine Augen sind rot?“, wandte Bak sich flüsternd an Alep.
„Ja, hab ich.“
„Aber sie sind gelb!“
Alep sah in Knolls Augen. „Stimmt! He, wie hast du das gemacht?“, fragte er den Golem erstaunt. Knoll sgate:
„Am Tag sind sie gelb und nachts leuchten sie rot.
Das lässt sich nicht ändern, ich bin ein Exot. “
„Da! So redet er andauernd“, erklärte Alep. „Das macht einen verrückt.“
Bak staunte mit offenem Mund. Vater Elders sagte nichts. Es gefiel ihm nicht, dass Knoll neben seiner kleinen Tochter saß, also blieb er gemeinsam mit Bak vorsichtig. Mutter Elders hingegen bot Knoll Haferbrei, frisches Brot und Tee an. Zwar vertraute sie dem Urteil
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