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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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Alep verstand nichts von Magie und sie kümmerte ihn auch nicht. Sein Leben bewegte sich in einem kleinen, überschaubaren Rahmen. Dass die Magie schwächer wurde war schlimm, sicherlich. Aber was konnte er dagegen tun? Da mochte der Golem die Einladung seines Meisters noch so oft vortragen; einen drohenden Weltuntergang abzuwenden überstieg bei weitem Aleps Fähigkeiten. Er war sich sicher, dass hier eine Verwechslung vorliegen musste. Irgendwer hatte irgendwo einen Fehler begangen. So einfach war das! Vielleicht der Golem? Jemand, der unvorsichtig genug war, bei einer einfachen Verbeugung ein solides Fensterbrett zu missachten, brachte vielleicht auch wichtige Aufträge durcheinander.
    Aber andererseits hatte der Golem seinen Namen gekannt; und die Nachricht, die er überbracht hatte, kam nicht von irgendwem, sondern von Pretorius aus Hornburg.
    Alep hatte sich, der Familientradition folgend, als Bauer versucht, aber schnell gemerkt, dass ihm das nötige Talent dafür fehlte. Er taugte einfach nicht zum Landmann. Und doch hatte er es nie aufgegeben, seinem Vater, seinem Großvater und seinem älteren Bruder nachzueifern. Lange Zeit hatte er geglaubt, er brauche nur etwas mehr Zeit als andere.
    „Mehr Zeit? Wie viel noch?“, hatte sein Vater einmal gefragt und insgeheim hatte Alep ihm Recht gegeben. Also hatte Vater Elders entschieden, dass sein jüngster Sohn ein Handwerk erlernen sollte. Im nahegelegenen Dorf Bitterquell, dem einzigen Ort weit und breit, waren zwar einige Handwerker ansässig, aber nur einer war bereit ihn in die Lehre zu nehmen: Handemann, der Schmied. Alep hatte fast ein halbes Jahr lang mit Erfolg dem alten Handemann als Handlanger und Aushilfskraft zugearbeitet. Aber auch hier hatte er nicht die erhoffte Befriedigung gefunden. Alep sah teils mit Verwunderung, teils mit heftigem Ärger, wie die jungen Männer um ihn herum ihr Leben gestalteten und in ihrer Arbeit und Familie Zufriedenheit und Glück fanden. Aber er fühlte auch, dass dies nicht sein Ziel war.
    Andererseits mochte in der Einladung des Meistermagiers eine Gelegenheit liegen, die Zukunft nach seinen Wünschen zu gestalten, auch wenn er seine Wünsche nicht kannte.
    Hornburg! Allein schon der Name der größten Stadt Burnyks versetzte ihn in Aufruhr. All die vielen Geschichten, die Großvater ihm darüber erzählt hatte, gingen ihm durch dem Sinn. Hornburg! Die immerwährende Stadt im Drachensee, wo der Hort des schwarzen Drachen Nidar war und der seiner dunklen Brut. Hornburg! Die Stadt des Bewahrers der Einheit, seit Hann T’Brien, der allererste Bewahrer den Drachen Wikt erschlagen hatte. Hornburg!
    Ein schauerliches Seufzen drang von draußen herein. Der Golem kam wieder zu sich und richtete sich stöhnend auf. Vorsichtig stellte er sich auf seine Füße und wandte sich dann langsam Alep zu. Mit einer Hand hielt er seinen seltsam geformten Kopf, als fürchtete er, er könne zerspringen, wobei er sein Gesicht zu einer schauerlichen Grimasse verzog. Alep musste unwillkürlich lachen. „Wieder alles in Ordnung mit dir?“, fragte er.
    Knoll sah auf. Die heftige Bewegung ließ den tönernen Schädel knacken und ein Riss tat sich plötzlich auf, der vom rechten Auge bis hinab zum Hals reichte. Knolls linke Hand kam hoch und hielt auch von der anderen Seite den Schädel an Ort und Stelle „Nun, wie lautet Eure Antwort?“, fragte der Golem. „Sprecht, sonst gehe ich nicht fort!“
    „Auf welche Frage?“
     
    „Auserwählt von der einen Macht
    seid Ihr, wenn die dritte Tat vollbracht.
    Das Land zu retten ist die Pflicht.
    All so die Prophezeiung spricht.“
     
    Seltsamerweise warfen Knolls Verse immer wieder neue und mehr Fragen auf. „Dritte Tat? Was ist das?“, verlangte Alep zu wissen.
    Knoll ließ sich ein paar Augenblicke Zeit, bevor er zu sprechen begann, leiser diesmal und auch ein wenig freundlicher:
     
    „Die erste Tat, des schwarzen Drachen Ei,
    vergeht zur Sommersonnenwende
    und bricht entzwei.
     
    Die zweite Tat, des Königs Sohn,
    ermordet Vater, Bruder, Schwester.
    und nimmt den Thron.
     
    Die dritte Tat, die Königin,
    wird einen Wechselbalg empfangen.
    und siecht dahin.
     
    Was das Orakel prophezeit’
    vor vielen Hundert Jahren,
    wird wahr und bring nun großes Leid.
     
    Denn viertens, so sagt die Legende
    kommt Chaos, Tod und Untergang
    mit aller Zauber Ende.“
     
    Alep stand ganz still und sah über den Kopf des Golems hinweg in unbekannte Fernen. Er kannte Geschichten dieser Art zur Genüge.

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