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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Wirtschaftsprüfung mit dem Ressort zur Kontrolle
     der Tätigkeit von Kreditinstituten auf dem Wertpapiermarkt. Im Hinblick darauf müssen wir hier und jetzt nicht nur eine Taktik,
     sondern auch eine Strategie erarbeiten …«
    Die Sekretärin rollte lautlos einen Servierwagen mit Tee- und Kaffeetassen herein. Es entstand eine angespannte Pause, die
     Versammelten löffelten Zucker in die Tasse, rührtenum und tranken, ohne sich anzusehen. Gerassimow ließ seinen Kaffee stehen. Er saß vorgebeugt da, drehte seinen antiken Parker
     hin und her und konnte den Blick nicht von dem schönen, teuren Gegenstand lösen, von dem er sich niemals trennte. Vor zwei
     Tagen hatte er ihn eigenhändig auseinandergenommen und das silberne Gehäuse mit einer Speziallösung gereinigt. Doch das Silber
     war schon wieder schwarz angelaufen.
    »Ich wiederhole«, sagte er und hustete, »nicht nur eine Taktik, sondern auch eine Strategie, ein langfristiges, fehlerfreies
     Vorgehen …« Seine Atemnot wurde heftiger, er lief dunkelrot an. Er schluckte mehrmals krampfhaft und verspürte einen ungewohnten,
     scheußlichen Geschmack im Mund. »Die Zusammenlegung der beiden Ressorts wird bedeutende personelle Veränderungen mit sich
     bringen, nach meinen Informationen kommt eine vollkommen neue Mannschaft. Nadeshda«, wandte er sich an eine jugendlich wirkende
     grauhaarige Dame im rosa Kostüm, »lesen Sie uns bitte die Liste vor.«
    Die Dame trank rasch ihren Tee aus, strich sich das ordentlich frisierte Haar zurecht, nahm mehrere Blätter Papier aus einer
     Plastikmappe und verlas die Namen der Kandidaten für die wichtigen Beamtenposten im neuen Ressort, wobei sie jeden mit einem
     kurzen Kommentar versah. Die Versammelten wechselten Blicke, seufzten, schüttelten den Kopf, rollten vielsagend mit den Augen
     und pressten die Lippen aufeinander. Die Liste umfasste zehn Namen, je zwei Kandidaten für jeden Posten, dummerweise sämtlich
     undurchsichtige Figuren aus der Provinz.
    Als Nadeshda fertig war, wurde es still. Jeder dachte: So viele Anstrengungen umsonst! Ein Beamter war von entscheidender
     Bedeutung für die kommerziellen Strukturen. Bei den rückständigen Gesetzen und dem tückischen, hinterhältigen Steuersystem
     bestand die einzige Überlebenschanceeiner Privatbank darin, sich mit dem richtigen Beamten anzufreunden, seine Schwächen und Leidenschaften zu kennen, ihm kleine
     Freuden zu machen. Das war nicht an einem Tag und mit ein paar Kopeken zu leisten. Aber kaum lief alles, kaum wiegte man sich
     in Sicherheit, da drehte sich das Personalkarussell erneut, und der einflussreiche Freund war heute im Ruhestand, morgen in
     U-Haft, und an seine Stelle trat ein Neuer, Fremder, und man musste ganz von vorn anfangen.
    Der Vorstand schwieg und sah fragend zum Vorsitzenden Wladimir Gerassimow, dem FSB-General im Ruhestand. Mit ihm hatte man
     nichts zu befürchten. Dank seiner alten Beziehungen hatte er Zugang zu geheimen Archiven und konnte rasch jede beliebige Information
     über die neuen Kandidaten besorgen. Alle erwarteten von ihm wenn nicht Trost, so wenigstens einen klaren Kommentar, doch er
     drehte noch immer seinen Parker in der Hand und schien die besorgte Ungeduld der Anwesenden gar nicht zu bemerken.
    Gerassimow gewöhnte sich an manche kleinen Dinge so sehr, dass er, wenn sie verloren oder entzweigingen, beinahe physischen
     Schmerz empfand, als seien die Krawattennadel, die Manschettenknöpfe, das Feuerzeug, das Schreibgerät, die Tasse oder andere
     Kleinigkeiten Teile seines Körpers. Natürlich war es dumm von einem so seriösen Mann, sich zu grämen, weil das silberne Gehäuse
     seines geliebten Parkers schwarz angelaufen war. Aber ihm fiel plötzlich ein, wie schwarz sein geliebter silberner Teeglashalter
     geworden war. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass alles Silber bei der Berührung mit seiner Haut schwarz wurde und den
     Glanz einbüßte. Aber damit nicht genug: Das goldene Kreuz, das er um den Hals trug, und sein Ehering hatten einen matten rötlichen
     Schimmer bekommen. Unter dem Ring hatte sich ein nicht mehr abzuwaschender schwarzerStreifen gebildet. Seine Hände, sonst stets trocken und warm, waren in letzter Zeit feucht und eiskalt; er hatte sogar die
     unschöne Angewohnheit angenommen, sie verstohlen an seiner Hose abzuwischen. Er hatte den Eindruck, seine Haut habe sich verändert,
     sein Körpergeruch, der Geschmack in seinem Mund.
    Er war zweifellos gesund. Das bestätigten auch die

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