Der falsche Graf
Aber dass es so intensiv gefärbt war, hatte sie nicht erwartet.
Die Straße machte jetzt einen Bogen und der Forggensee lag in seiner ganzen Pracht vor ihr. Weiße Segel blähten sich im Wind, darüber spannte sich der berühmte weißblaue bayrische Himmel. Weiter führte die Straße durch kleine saubere Ortschaften, vorbei an schmucken Häusern mit hölzernen Balkonen über deren geschnitzte Geländer Begonien, Petunien, Fuchsien und Männertreu in dicken Kissen wucherten. Ein kleiner schwarzweiß gefleckter Jack Russell kam aus einem offenen Gartentor geschossen und lief kläffend hinter Connys Auto hinterher. Nach ein paar Metern sah er die Unmöglichkeit seines Unterfangens ein und kehrte zu seinem Zuhause zurück.
Nun tauchte linker Hand ein Waldgebiet auf, rechts erhoben sich graue Felsmassive. Conny war noch nie zuvor in den Bergen gewesen. Sie lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen, stieg aus und genoss den Anblick der grauen Riesen, die stolz ihre Gipfel in den klaren Himmel streckten. Auf der Weiterfahrt kam sie an einem Campingplatz vorbei. Durch die Bäume konnte man Blicke auf das Wohnwagendorf erhaschen, das sich am Ufer des Bannwaldsees entlang zog. Es musste ein großer Platz sein, ausgestattet mit allem, was ein Camperherz erfreut.
Und dann war es plötzlich da. Wie eine Fatah Morgana tauchte es plötzlich zwischen den Stämmen der Tannen auf, die den Bannwaldsee umgaben. Gelegen auf einer sanften Anhöhe, auf einem grünen Rasenkissen thronend sah es freundlich den Besuchern entgegen. Connys Herz begann aufgeregt zu klopfen als sie das Schloss sah. Sein gelber Anstrich leuchtete im Schein der hellen Nachmittagssonne. Die verspielten Türmchen und Zinnen und die weißen Stuckverzierungen erinnerten an eine überdimensionale Hochzeitstorte. Über jedem der Halbbogenfenster spannte sich eine gelb weiß gestreifte Markise. Dasselbe Muster zeigte auch der Sonnenschutz über der zur Seeseite gelegenen Terrasse. Conny erkannte zierliche weiße Gartenmöbel, die zum Verweilen einluden.
Der Zufahrtsweg mündete in einen mit weißem Kies belegten Vorplatz. Rot und weiß blühende Oleanderbüsche in bauchigen Terrakottakübeln begrenzten das Areal. Eine breite Freitreppe führte zum Haupteingang des Schlosses, das Conny freundlich anzublicken schien. Sie überließ es einem der herbeieilenden Pagen das Auto in die Tiefgarage zu fahren und stieg beschwingten Schrittes die Stufen zu dem verglasten Portal hinauf. Hier wurde sie von einem älteren Herrn in roter Uniform empfangen, der sie freundlich grüßte.
Hinter den sich automatisch öffnenden Türen erwartete sie angenehme Kühle. Nach der Hitze draußen eine wirkliche Wohltat! Conny atmete unwillkürlich auf, als der kühle Luftzug ihre Haut streichelte. Neugierig wanderten ihre Blicke durch das weitläufige Foyer und blieben schließlich an der Rezeption hängen, hinter der ihr eine junge, sehr gepflegte Dame entgegenlächelte. Entschlossen setzte Conny sich in Bewegung, aber sie kam nicht weit, denn urplötzlich stand wie aus dem Boden gewachsen ein Mann vor ihr. Nur ein kühner Sprung zur Seite rettete Conny vor dem schmerzhaften Zusammenstoß.
"Hoppla!" Sie schüttelte tadelnd den Kopf. "Sie können doch nicht mitten durch die Leute rennen!"
Der Mann war mindestens so erschrocken wie sie. Zuerst starrte er Conny an als hätte er nie zuvor einen Menschen gesehen, dann malte sich Bedauern auf seine durchaus gut geschnittenen Züge.
"Verzeihung." Er versuchte ein Lächeln, das jedoch verrutschte. "Es tut mir wirklich leid. Ich war vollkommen in Gedanken."
"Na, schon gut." Conny hatte sich rasch von ihrem Schrecken erholt. "Es ist ja nichts passiert. Wir leben beide noch."
Sie schenkte dem Mann ein letztes versöhnlich gemeintes Lächeln und ging davon. Gleich darauf stand sie vor Sonja Tewes, die sie freundlich willkommen hieß.
Ihr Zimmer war ein Traum in Blau und hellem Holz. Hauchzarte bodenlange Stores bauschten sich vor dem Bogenfenster, ein massives Holzbett mit exquisiten Schnitzereien an Kopf- und Fußteil und einer dicken Matratze versprach erholsamen Schlaf und ein bequemes Zweisitzersofa mit passendem Sessel ebenfalls in Blau lud zum Faulenzen und Lesen ein. Ein gleichfalls aus massivem Holz gearbeiteter Sekretär und eine helle Schrankwand in der Minibar, TV-Anlage mit DVD-Player, Videorecorder und eine Stereoanlage untergebracht waren, bot zudem ausreichend Platz für Connys Garderobe. Der dicke blaue Teppichboden und moderne
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