Der falsche Mann
rausgekommen. Wenn wir uns jetzt diesen Kolarich vorknöpfen, sitzen wir wieder im Schlamassel.«
» Prima. Danke, Don.«
» Allerdings hat er Sal und Augie getötet.«
Was nicht stimmte, aber in diesem Punkt hatte Ramini Paulie und Donnie belügen müssen. Die Capparellis durften niemals erfahren, was sich in dieser Gasse mit Kolarich wirklich abgespielt hatte.
» Was soll das heißen?«, fragte Ramini.
Die Limousine hatte wieder die Ecke erreicht, an der Ramini kurz zuvor eingestiegen war.
Donnie sagte: » Das soll heißen, wir vergessen nicht. Es soll heißen, wir warten ab. Eines Tages kriegt der Anwalt vielleicht Besuch von uns. Und das bedeutet, Mr. Jason Kolarich sollte immer auf der Hut sein.«
104
Es war nach 18.30 Uhr, und ich war der Letzte in der Kanzlei. Ich blickte aus dem Fenster auf die Stadt hinaus, da hörte ich ihre Schritte im Flur, das vertraute Klacken ihrer Stiefel.
» Hey«, sagte Tori.
» Hey.« Unten auf den Straßen drängten sich die Weihnachtseinkäufer. Als Kind hatte ich Weihnachten geliebt, denn es war einer der wenigen Tage, an denen mein Vater gute Laune hatte. Und es war die einzige Zeit, in der mir unsere Familie halbwegs normal vorkam. Das spielte als Kind für mich eine wichtige Rolle – mich einmal ganz normal fühlen zu können. Ein Gefühl von Zugehörigkeit zu haben.
» Hast du das ernst gemeint, was du neulich gesagt hast?«, fragte ich, die Stirn gegen die Fensterscheibe gelehnt und den Blick weiter nach unten auf die Straße gerichtet. » Dass wir diese Stadt verlassen sollten? Alles hinter uns lassen können?«
» Natürlich war es mir ernst«, sagte sie. » Würdest du … das tun?«
Ich antwortete nicht. Ich atmete gegen das Glas und beobachtete, wie es beschlug.
» Stimmt was nicht, Jason? Ist irgendwas …?
Sie beendete den Satz nicht. Im Fenster sah ich ihr Spiegelbild. Sie stand neben der Couch. Dort lagen Joels Ermittlungen über » Gin Rummy«, das Resümee war aufgeschlagen.
» Ich hatte es ernsthaft überlegt«, sagte ich. » Wirklich. Ich liebe diese Stadt, aber ich hätte sie für dich verlassen.«
» Das kannst du immer noch«, sagte sie.
Richtig. Ich hätte es auch jetzt noch gekonnt, trotz allem, was geschehen war.
» Ich habe hier noch was zu erledigen«, sagte ich. » Gin Rummy ist immer noch auf freiem Fuß. Ich muss Kathy Rubinkowskis Mörder finden.«
» Das ist nicht deine Aufgabe. Du hast deinen Job getan. Überlass den Rest jemand anderem.«
Ich nickte. Dasselbe hatte ich mir auch einzureden versucht.
» Klär mich auf«, sagte Tori. » Denn das klingt verdächtig nach einer Ausrede, um mich abzuservieren. Und wenn du das vorhast, dann sag es mir lieber offen und direkt.«
Ich verstand ihre Befürchtung. Viele Frauen beschwerten sich darüber, dass Männer, wenn sie eine Beziehung beenden wollten, die Auseinandersetzung scheuten. Lieber versteckten sie sich hinter albernen Ausreden. Doch das war hier nicht der Fall.
Ich beobachtete ihr Spiegelbild. Es war irgendwie leichter so. Sie beugte sich vor und hob die Aktenmappe hoch, die Joel zusammengestellt hatte.
» Joel hat mich auf die richtige Spur gebracht«, fuhr ich fort. » Er hat einen langjährigen Auftragskiller namens Peter Ramini identifiziert. Offensichtlich war dieser eine große Nummer unter Rico Capparelli. Und auch nachdem dessen Bruder Paulie die Geschäfte übernommen hatte, schien Ramini noch der wahrscheinlichste Kandidat zu sein.«
» Wie hier zu lesen steht«, sagte sie, das Resümee in der Hand.
» Richtig. Aber letztendlich schließt Joel aus, dass er Gin Rummy ist«, sagte ich.
Tori schwieg. Sie las, was Joel geschrieben hatte.
Ich hielt eine zusammengerollte Kopie des Resümees in der Hand. Ich entrollte sie und las die betreffende Stelle laut vor. » ›Vor etwa fünf Jahren wurde bei Peter Ramini ein sogenannter essenzieller Tremor diagnostiziert, ein unkontrollierbares Zittern, das sich in seinem Fall besonders an den Händen zeigte. Raminis Spitzname » Pockets« rührt von dem Umstand her, dass er keinen seine Hände sehen lässt. Das FBI geht sogar davon aus, dass seine Krankheit innerhalb der Capparelli-Familie niemandem bekannt ist.‹ Es ist also nicht Peter Ramini«, fuhr ich fort. » Er kann vermutlich nicht mal mehr eine Pistole in der Hand halten.«
» Scheint so.« Ich sah, wie Tori den Ordner zurück auf die Couch warf. » Und jetzt erklär mir bitte, was das mit dir und mir zu tun hat.«
Ich drehte mich um und sah sie direkt an.
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