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Der falsche Mörder

Der falsche Mörder

Titel: Der falsche Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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kann noch schnell das Videogerät ausschalten, während Matti benommen die Treppe heruntertappt. Aber die Zeit reicht nicht mehr, um auch das Fernsehgerät auszumachen.
    Er watschelt auf mich zu. Noch ganz verschlafen.
    Das Haar ist zerzaust. Der feine Frack zerknittert.
    »Ich wurde verleitet und betrogen«, sagt er undeutlich. Schüttelt den Kopf, als ob er sein Gehirn vom Staub vieler Jahre befreien wollte. »Was machst du hier in meiner Höhle?«
    »Da der Gastgeber mitten in der Party eingeschlafen ist, musste ich mir anderweitig die Zeit vertreiben.«
    Er bemerkt den weißen Schnee auf dem Bildschirm. Glotzt das Gerät an.
    Nach einigem Überlegen geht er ein paar Schritte auf mich zu. Immer mit der spitzen Skulptur in der rechten Hand.
    Er reckt sich mit der Linken nach der Fernbedienung. Drückt auf Play.
    Der alte Mann erscheint wieder auf dem Bildschirm. Völlig entsetzt. Gefesselt und geknebelt im Bett.
    Matti seufzt tief. Macht das Gerät aus.
    Steht vollkommen still. Sein Blick ist Furcht erregend.
    »Du hast dir unerlaubterweise meine Geheimnisse angesehen«, sagt er und klopft den oberen Teil der Skulptur fest in die Handfläche seiner linken Hand. Ein paar Mal.
    Angriff ist die einzige Verteidigung.
    »Willst du mich etwa mit dieser Schwanzprothese bedrohen?«, frage ich barsch.
    »Habe ich nicht volles Recht, mein Eigentum zu verteidigen?«
    »Berichte mir lieber, in was für einen Schlamassel du verstrickt bist«, antworte ich. »Das könnte dir als Pluspunkt angerechnet werden.«
    Er starrt mich schweigend an. Supersauer.
    »Du bietest mir doch wohl nicht deine Hilfe an?«, fragt er schließlich.
    »Meinst du nicht, du könntest sie gebrauchen?«
    Matti dreht überheblich seinen Kopf zur Seite.
    »Ich brauche keine Hilfe von einer gierigen Gans.«
    »Wie du willst«, antworte ich und stehe auf.
    »Setz dich!«
    Matti hält mir den Eiffelturm drohend entgegen. Wie ein gefährliches Messer.
    »Ich dachte, du wolltest mich loswerden?«
    »Meine Party ist erst zu Ende, wenn ich es sage«, antwortet er.
    Ich setze mich wieder hin. Starre Matti an. Überlege mir, wie ich den Kerl am besten entwaffnen könnte, ohne in einen gefährlichen Kampf verwickelt zu werden.
    »Wie viele Videos hast du angesehen?«, fragt er.
    »Ich habe gerade erst angefangen.«
    »Was hast du gesehen?«
    »Hauptsächlich, was für ein genialer Schauspieler du bist.«
    »Bildest du dir etwa ein, Kunst beurteilen zu können?«
    »Ich weiß jedenfalls genug, um zu erkennen, dass du ein Genie auf der Bühne bist.«
    Bei dem Lob hellt sich Mattis Miene auf. Er kann die Gelegenheit, sich aufzuspielen, nicht ungenutzt lassen.
    »Ja, ich bin doch wirklich ein Ehrenmann, nicht wahr?«, sagt er. »Aber es würde mich sehr überraschen, wenn du meine Talente zu schätzen wüsstest.«
    »Aber natürlich kann ich das.«
    »Es gibt wenige hier im Land, die das Verständnis für die dringenden Bedürfnisse eines Genies aufbringen: Er muss die gesellschaftlichen Bande sprengen, die nur Allerweltsleuten nützen.«
    »Sprichst du über die Bedürfnisse des freien, kreativen Geistes?«
    »Ganz genau.«
    Matti setzt sich mir gegenüber in den Sessel. Er hat immer noch die Skulptur in der Hand. Die geballte Faust ruht in seinem Schoß.
    »Ja, wo wären wir ohne die Genies?«, bemerke ich.
    »Das kann ich dir sagen«, antwortet er umgehend.
    »Ohne uns würde unser Volk immer noch durch den Dreck kriechen.«
    Ich greife nach der Flasche.
    »Ich bin sicher, du wirst mir nicht glauben, wie vielen Isländern es schwer fällt, meinen revolutionären Beitrag zur Schauspielkunst zu honorieren.«
    »Was du nicht sagst!«
    »Aber natürlich betrete ich ebenso Neuland wie alle anderen Vordenker«, fährt er fort. »Aber diesen Bürohengsten der Kulturmafia ist es nicht gegeben zu verstehen, dass ein origineller Künstler, der wegen seiner Genialität hoch über der Mittelmäßigkeit der Gesellschaft erhaben ist, uneingeschränkte Freiheit braucht, um sich auszuleben. Wir Großen sind nicht in der Lage, unsere Talente vollkommen auszuschöpfen, es sei denn, wir bekommen völlige Freiheit, das zu tun, was wir tun müssen.«
    Ich gieße mir Jackie ins Glas.
    »Möchtest du auch, um mir Gesellschaft zu leisten?«
    Er schüttelt den Kopf.
    Ich stelle die Flasche in Reichweite ab. Nehme einen Schluck.
    Überlege, wie lange ich mich wohl bei diesem Geisteskranken einschmeicheln muss, um heil und unbeschadet aus dem Summerhaus zu entkommen.
    Die Hauptsache ist, Matti

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