Der falsche Mörder
Kopie davon hier unten sein? Bei den Videos? Wo man sie gleich zur Hand hat?
Wird wohl.
Wo ist sie dann? Im Schrank?
Ich durchwühle die Regalböden noch einmal. Aber ich habe keinen Erfolg. Ich finde keine Liste.
Wo sonst noch?
Ich lasse meine Augen über die Einrichtungsgegenstände schweifen. Bis mein Blick an der schwarzen Bank vor dem Keyboard hängen bleibt.
So eine Bank habe ich schon mal gesehen. Unter dem Sitz gibt es einen Stauraum. Für Noten.
Ich gehe mit langen Schritten zur Bank hinüber. Hebe die Sitzfläche an.
Eine braune Ledermappe springt mir in die Augen.
Darin befindet sich ein Stapel mit ausgedruckten Blättern. Zusammengeheftet.
Die Videoliste ist gefunden.
27. KAPITEL
D rei unattraktive, dickliche Typen in mittlerem Alter unterhalten sich mit einem jungen Mädchen.
Einem Teenager.
Am Anfang betrachtet sie sich in einem großen Spiegel. Schminkt sich mit Hingabe ihre Lippen in hübschem Rosé.
Die Typen kippen sich mit Alkohol zu. Reißen Witze. So wie es scheint, gutmütige. Als ob sie alte Freunde wären, die zusammen einen draufmachen.
Schon bald beginnen zwei von den Typen, das Mädchen anzubaggern. Grabschen ihr an die Brust. Und zwischen die Oberschenkel.
Sie wehrt sich mit einem Lächeln. Schiebt ihre Hände weg. Lachend. Als ob es ihr Spaß machen würde, sie abzuwehren.
Aber das Lachen hält nicht lange an.
Sie packen das Mädchen hart an. Drücken sie hinunter auf den Fußboden. Legen sie auf den Rücken. Halten Arme und Beine fest.
Sie versucht, gegen die Männer anzukämpfen. Aber sie hat nicht genug Kraft, um gegen sie anzukommen.
Sie reißen ihr die Kleider vom Leib. Langsam und nach Plan. Bis sie völlig nackt ist.
Dann vergewaltigen sie das Mädchen. Einer nach dem anderen.
Alle drei.
Ich bekomme eine Gänsehaut.
Auf dem Video scheint eine echte Vergewaltigung aufgezeichnet zu sein.
Jedenfalls gibt es keine Zweifel, dass der Geschlechtsverkehr echt ist.
Und das Mädchen sich die ganze Zeit zu wehren versucht.
Der Kameramann ist ständig in Bewegung. Wahrscheinlich auf der Suche nach dem besten Winkel.
Plötzlich sieht man ihn selber in einem Spiegel vorbeihuschen. Für einen winzigen Moment.
Ich nehme die Fernbedienung zur Hand. Spule zurück. Spule wieder vor. Drücke auf die Pause-Taste, als sein Spiegelbild wieder auf der Mattscheibe erscheint.
Das gibt’s doch nicht!
Es ist ganz eindeutig Matti, der die Kamera hält.
War das ein krankhaftes Spiel? Das Theater des Lebens á la Matti?
Oder schrecklicher Ernst?
In der Liste ist dieses Video nur mit einem Datum versehen.
Ich lege das Video zur Seite.
Natürlich kann ich nur Stichproben von Mattis Videosammlung nehmen. Aber das, was ich bisher gesehen habe, gibt mir einen guten Eindruck von der Hauptthematik. Und einen Hinweis auf Mattis Lieblingsbeschäftigungen.
Es scheint sich hier nur um zwei zu handeln: er selber. Und Sex.
Matti ist meistens in der Hauptrolle. Er tritt in vielen verschiedenen Verkleidungen auf. Stolziert in bunten Kostümen umher. Benutzt diverse Perücken. Und spart nicht mit der Schminke. Sieht manchmal aus wie ein etwas gebeutelter Casanova.
Die meisten seiner Schauspielkollegen habe ich noch nie gesehen.
Außer Audur. Und Sjöfn.
Man bekommt zu sehen, wie beide den Meister bedienen. Jede einzeln.
Matti hat die Kamera auch genutzt, um seine Rollen zu üben. Sowohl auf der Bühne als auch vor dem Spiegel.
Auf vielen Videos kann man verfolgen, wie er sein Aussehen verändert. Versteckt seine eigene Persönlichkeit unter Perücken, Schminke und anderen Hilfsmitteln eines Schauspielers, bis er bekannten Männern aus dem öffentlichen Leben bis hin zu Gesichtsausdruck und Bewegungen täuschend ähnlich sieht.
Manche Videos sind unglaublich langatmig. Ich spule dann schnell vor. Außerdem habe ich ja auch nur Interesse an einer einzigen Aufnahme aus dieser ganzen Bilderflut. Einem ganz anschaulichen Beweis, wie Matti aussieht, wenn er sich als Adalgrímur Sunndal verkleidet hat.
Mensch, wie lahm! Ich finde es unerträglich, länger ohne meinen Freund auf Matti zu glotzen.
Klettere deshalb die Wendeltreppe wieder hinauf. Schleiche mich ins Wohnzimmer, wo Matti immer noch im Frack liegt und schnarcht. Packe meine Flasche. Hole mir ein Glas aus der Vitrine. Nehme beides mit mir hinunter in den Keller. Schenke mir das Glas halb voll ein. Genehmige mir einen kräftigen Schluck der brennenden Flüssigkeit.
Aaah!
Nach zwei Rationen bin ich für den nächsten Anlauf
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