Der falsche Mörder
drehe den Hahn zu. Lasse mich langsam in die volle Badewanne sinken.
»Aaaaa!«
Ich habe das Gefühl, als ob meine Haut brennen würde. Es treibt mir Tränen in die Augen.
Meine Haut bekommt von den Zehenspitzen bis zu den Schultern Farbe, sobald die Hitze die Kälte aus dem Körper vertreibt.
Ich werde knallrot. Wie ein Weihnachtsapfel.
»1st das Wasser nicht viel zu heiß?«, fragt Harpa.
Sie steht in der Badezimmertür. Im schwarzen Lederdress.
Fürsorge spricht aus ihrem Blick.
»Ich überlebe das schon«, antworte ich. »Vor allen Dingen, wenn du mir ein Glas einschenkst. Die Flasche ist im Wohnzimmer.«
Sie kommt mit einem glänzenden Whiskeyglas zurück, das halb voll mit Jackie ist. Er erwärmt mich von innen.
Ich schließe die Augen. Genieße das Gefühl, wie mich die Hitze durch und durch erwärmt. Wie die Muskeln sich entspannen. Wie sich die Seele beruhigt. Und die Wärme mich einlullt.
Wunderbar!
Als ob ich in morgendlichem Schlummer läge. Im Niemandsland zwischen Wachen und Schlafen.
Kurz darauf schüttelt Harpa mich.
»Es ist gefährlich, in der Badewanne einzuschlafen«, warnt sie mich.
Die Kälte ist eh verschwunden.
Ich erhebe mich, greife nach dem Handtuch. Steige auf die Badematte. Trockne mich flüchtig ab.
Harpa tritt unsicher von einem Fuß auf den anderen.
»Danke für die Hilfe«, sage ich.
Sie lächelt schüchtern.
»War Matti schlimm?«, fragt sie.
Ich lasse mein Handtuch auf den Fußboden fallen. Hole mir das Glas vom Wannenrand. Trinke.
»Gleich bekommst du alles zu hören.«
Ich gehe über den Flur ins Schlafzimmer. Kuschele mich unter meine Decke.
»Komm mal hierher.«
Sie setzt sich auf die Bettkante. Und hört zu.
Natürlich erzähle ich ihr nicht alles. Berichte nur in groben Zügen.
Das Ringen mit Matti bekommt beim Nacherzählen einen lächerlichen Touch. Zumal es ja wirklich komisch war. Im Nachhinein jedenfalls.
Aber trotzdem gefährlich.
Ich berichte ihr auch von meiner Vermutung, was den Mord im Obersten Gericht angeht. Dass Matti sich als Adalgrímur verkleidet und so die Tat begangen hat.
Sie ist überrascht. Und voller Zweifel.
»Ich weiß, wozu Matti in der Lage ist«, sagt sie, »aber weshalb sollte er es auf Sjöfn abgesehen haben?«
»Weißt du, wo Matti an diesem Tag war?«, frage ich zurück, ohne ihre Frage zu beantworten.
Harpa schüttelt den Kopf.
»Dísa und ich sind mittags ins Einkaufszentrum Kringlan gefahren und haben dort einen Bummel gemacht. Dann sind wir bis spät in die Nacht in der Innenstadt durch die Lokale gezogen«, berichtet sie.
»War Matti an dem Tag nicht mit euch unterwegs?«
»Nein.«
»Aaaaa!«
Im Bett ist es warm und gemütlich.
Plötzlich habe ich gute Lust, dieses ganze Durcheinander zu vergessen. Würde die ganze Scheußlichkeit gerne tief in einer dunklen Höhle des Gehirns einschließen. Einfach nur das Dasein genießen.
»Möchtest du heute Nacht nicht hier bleiben?«, frage ich.
»Wie du willst.«
Ich setze mich im Bett auf. Helfe ihr, sich auszuziehen.
Wir lösen gerade den Hosenknopf, als ein Telefon klingelt.
Es ist ihr Handy.
Sie greift nach ihrer Jacke und angelt das Gerät heraus. Guckt auf die Nummer.
»Dísa ruft an«, sagt sie. Mit fragendem Blick.
Ich zucke mit den Schultern. Lehne mich in meine Kissen zurück. Tue so, als wäre mir egal, was sie macht.
Sie geht dran. Aber sagt wenig. Nur ja oder nein.
Ich kann nicht anders, als sie wie hypnotisiert anzugucken. Auf das kindliche Gesicht. Den wunderschönen roten Mund. Und die hübschen Brüste, die zu groß sind, um sich hinter dem langen Haar zu verstecken. Spitzen frech hinaus in die Welt.
Wie toll sie aussieht!
Harpa protestiert. Am Telefon.
Aber gibt schließlich nach.
»Okay«, sagt sie und beendet das Gespräch. Guckt mich dann entschuldigend an.
»Ich muss gehen.«
»Mach, was du möchtest.«
»Ich möchte nicht, aber es ist etwas Wichtiges.«
Sie zieht sich ein Kleidungsstück nach dem anderen wieder an.
»Denk dran, die Haustür richtig zuzuziehen«, sage ich so gelassen, wie ich nur kann.
Harpa setzt sich wieder auf die Bettkante. Zögert einen Moment.
»Dísa braucht mich«, sagt sie.
»Und dann springst du?«
»Ja, ich kann nicht anders. Du musst das verstehen.«
In Ordnung. Ich habe kein Recht, sauer auf sie zu sein.
Sie beantwortet meinen Kuss mit großem Interesse. Fast schon mit ungestümer Leidenschaft.
»Also geh schon«, sage ich und schiebe sie leicht von mir weg.
Ich lege mich auf den
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