Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
Formular hin.
Die Frau unterschreibt, ohne einen Blick auf den Wisch zu werfen, und bezahlt die volle Summe für die Entlade- und Transportarbeit. Mit gerunzelter Stirn denkt sie über etwas nach. Dann zieht sie einen Geldschein aus der Tasche.
»Vielen Dank.« Ich stecke den Schein in eine spezielle Tasche in meinem Overall, die ausschließlich fürs Trinkgeld gedacht ist. Schon im nächsten Moment ist das Geld weg. Die eine Hälfte ist bereits auf dem Konto von HLD eingetrudelt, die andere auf
meinem. Ganz wie es sich für eine seriöse mittelständige Firma gehört.
»Darf ich Ihnen vielleicht einen Kaffee anbieten?« In ihrem Blick mischen sich Anmache und Bescheidenheit.
Ich sehe auf die Uhr. »Ich weiß nicht«, antworte ich. »Ich kann mich heute vor Aufträgen kaum retten.«
»Ich müsste übrigens im Schlafzimmer noch den Frisiertisch verrücken!«, fällt ihr da ein. »Könnten Sie mir da nicht behilflich sein? Wir schreiben auch gleich einen neuen Auftrag!«
Alles klar.
Eine unerfahrene Frau, auf der Suche nach einem Abenteuer. Und ihr Mann ist vermutlich ein kluger Kopf.
Genau wie ich.
»Dann wollen wir mal ein bisschen rücken und schieben«, erlaube ich mir eine lässige Zweideutigkeit.
Den Frisiertisch zu verrücken dauert nicht länger, als den Blankoauftrag dafür auszufüllen. Anschließend trinken wir Kaffee und genehmigen uns auch einen Likör dazu. Grinsend harre ich der Dinge, die da kommen. Die Puppe klimpert mit den großen Augen und rückt mir Stück für Stück auf die Pelle, bis sie schließlich auf meinem Schoß sitzt. Wir küssen uns lange und leidenschaftlich. Ich achte genau auf die Bewegungen ihres vorwitzigen Händchens.
»Was ist denn?«, bringt sie plötzlich heraus. Ihre Stimme zittert bereits, doch in ihr Verlangen schleicht sich Unverständnis. Ihre Augen werden immer runder und stellen jeden japanischen Comic in den Schatten. Aber aus dem Hentai wird leider nichts.
»Junge Frau, ich bin bei einer seriösen Firma angestellt«, erkläre ich ihr. »Dieser Körper ist ausschließlich für körperliche Arbeit gedacht. Für jede Art von Vergnügungen ist er völlig ungeeignet. Haben Sie das etwa nicht gewusst?«
»Du Schuft!«
Ich würde am liebsten laut loslachen, behalte aber eine steinerne Miene bei. Schließlich schiebe ich die Frau von meinen Knien, stehe vom Sofa auf und knöpfe den Overall zu.
»Junge Frau, wenn es an meinem Verhalten etwas auszusetzen gibt, können Sie sich jederzeit mit einer offiziellen Beschwerde an meine Vorgesetzten wenden. Im Übrigen bin ich ganz Ihrer Meinung: Es würde diesem Körper nicht schaden, mit etwas mehr Drumherum ausgestattet zu werden.«
»Verpiss dich, du Arsch!«
Ich nehme ihr das nicht mal krumm, sondern kämpfe immer noch mit einem Lachanfall. Als ich das Haus dann verlassen habe und wieder auf dem Motorroller sitze, könnte ich sogar tatsächlich losprusten.
Zu dieser Körperfunktion ist der »freundliche Arbeiter« nämlich imstande.
Aber ich verkneife es mir.
Es ist Abend in Deeptown. Kaum liegt die Arbeit hinter mir, senkt sich der Abend herab. Das gefällt mir. Natürlich ist es für den armen Kerl, der mit einer Aktentasche durch die Straßen hetzt, noch früh am Morgen. Und für einen Dritten dauert der laute, grelle Partyabend rund um die Uhr an.
Na, von mir aus. Für mich wäre das eh nichts.
Bei HLD trudeln gerade die Leute aus der zweiten Schicht ein. Über dem Nachbarspind leuchtet ein rotes Lämpchen: Ilja ist also entweder noch nicht zurück oder schon wieder unterwegs. Ein paar Kollegen ziehen sich um, aber die kenne ich kaum, mehr als ein »Guten Tag und guten Weg« verbindet mich nicht mit ihnen.
Der Tag ist nicht schlecht gewesen. Zwei Aufträge, davon einer, der mir kaum etwas abverlangte. Dazu dieses komische Missverständnis mit der Frau … Sollte etwa tatsächlich jemand noch
nicht gehört haben, dass die Körper der Proletarier von Windows Home genauso geschlechtslos sind wie ein Maultier oder eine Arbeitsbiene?
Ich pfeife eine fröhliche Melodie vor mich hin und hole den Körper des Bikers aus dem Spind. Der ist nun wirklich ein ganzer Kerl, allerdings mit dem Manko, dass auch er ein absoluter Standardtyp ist. Der darf sich jedes Liebesabenteuer abschminken. Das ist allerdings nicht der Grund, warum ich ihn mag. Nein, je einfacher und unprätentiöser eine Figur ist, desto leichter kannst du dich mit ihr über die überlasteten Server bewegen. Es gibt Leute, die sich hartnäckig
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