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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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braucht?«, fragt sie.
    »Wenn Angantýr nichts zu verbergen hat, braucht er nichts zu befürchten.«
    Jódís lacht kalt. »Das weißt du doch besser«, antwortet sie.
    »Nur allein schon die gehässigen Spekulationen, die du aus dem Boden zu stampfen versuchst, werden alles sabotieren, was der Minister in fünfzehn Jahren erarbeitet hat.«
    Der Minister! Immer nur der Minister! Nennt sie ihn eigentlich nie Papa?
    Ein Handy dudelt.
    Ich höre sofort, dass es nicht mein Klingelzeichen ist. Jódís steht auf. Geht schnell aus dem Wohnzimmer. Aber kommt kurz darauf wieder zurück. Mit dem Handy in der Hand.
    »Der Minister muss immer noch Pflichten gegenüber den ausländischen Gästen nachkommen«, sagt sie. »Aber er will unbedingt die Gelegenheit haben, dich zu überzeugen, und bittet uns, ihn auf dem Landsitz des Ministerpräsidenten in Thingvellir zu treffen. Bist du wenigstens dazu bereit?«
    »Willst du etwa jetzt, heute Abend, den ganzen Weg bis nach Thingvellir fahren?«
    »Um diese Zeit ist es doch nur eine halbe Stunde Fahrt.«
    Eigentlich ist es mir gar nicht recht. Aber ich nicke schließlich doch. Zögerlich.
    »Wir kommen«, sagt Jódís und beendet das Gespräch.
    Sie guckt mich schweigend an. Und hält das Handy in beiden Händen.
    Stolz wie eine Prinzessin. Und distanziert zugleich.
    »Können wir mit deinem Auto fahren?«, fragt sie. »Ich habe schon zu viel Branntwein getrunken, um mich selber hinters Steuer zu setzen, und der Fahrer ist in Thingvellir.«
    »In Ordnung.«
    »Einen Moment noch.« Sie verschwindet in einem Flur. Und kommt zügig wieder zurück. Mit einem langen Pelzmantel, den sie sich über die Schultern gehängt hat. Lederhandschuhe passend zum Mantel. Und einer schwarzen Aktentasche.
    Wir beide stehen alleine im Aufzug auf dem Weg ins Erdgeschoss. Wir haben uns nichts mehr zu sagen. Leider.
    Die hellen Lichter der Stadt erleuchten die Abenddämmerung auf dem Parkplatz.
    Ich setze mich hinter das Steuer. Klemme meine rotbraune Aktentasche zwischen die Vordersitze.
    »Ich fühle mich hier wohler«, sagt Jódís, während sie sich auf die Rückbank des Silberpfeils gleiten lässt. »Wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Annehmlichkeiten der Macht, was?«
    Sie antwortet nicht. Aber als ich einen kurzen Blick in den Rückspiegel werfe, als der Benz losrollt, sehe ich, wie ein schwaches Lächeln ihre Lippen umspielt.
    Auf der Miklabraut und der Ártúnsbrekka ist ganz schön viel Verkehr. Auch auf dem Vesturlandsvegur bis hinter Mosfellsbaer. Es werden erst wirklich weniger Autos, als der Palast von Halldór Laxness, Gljúfrasteinn, hinter uns liegt. Erst dann schießt der Benz mit hundertzwanzig Kilometern pro Stunde über den dunklen Asphalt des Thingvallavegur.
    Jódís hat es sich auf dem Rücksitz gemütlich gemacht. Sie hat ihren Pelz neben sich gelegt. Und die Aktentasche geöffnet.
    Die Mosfellsheidi ist dunkel und gespenstisch. Der Abendwind hat eine dunkelgraue Wolkenbank vor sich her Richtung Südosten geschoben. Sie zieht über das Lavafeld und die vegetationsarmen Geröllhänge. Die rauen, leicht abfallenden Hochlandhänge scheinen das passende Zuhause für gruselige Gespenster und ekelhafte Geister aus der grauen Vorzeit zu sein.
    Plötzlich holt uns das Unwetter ein. Der Regen klatscht auf den Silberpfeil wie ein stürmischer, feindlicher Überfall.
    Uff!
    Die Scheiben fangen an zu vibrieren, als die Regentropfen des Platzregens auf der Windschutzscheibe tanzen. Die kräftigen Scheibenwischer sind vollauf damit beschäftigt, das Wasser zur Seite zu schieben.
    Ich verlangsame automatisch das Tempo. Beuge mich dabei so weit über das Steuer, wie es der Sicherheitsgurt zulässt, und gucke angestrengt durch das spritzende Wasser und die Strahlen der Scheinwerfer auf den klatschnassen Asphalt.
    Plötzlich fühle ich einen unangenehmen Schmerz im Hals. Einen stechenden Schmerz.

41
    »Aua!«
    Ich hebe die rechte Hand, um meinen Hals zu massieren, und stoße mit den Fingern an etwas Hartes. Dabei empfinde ich noch mehr Schmerzen.
    »Was zum Teufel …!?« Ich werfe einen schnellen Blick in den Rückspiegel. Sehe Jódís’ Gesicht und Hände direkt hinter mir. Und das Ende der Spritze, die sie mir von hinten in den Hals gesetzt hat.
    »Wenn ich dir das Zeug spritze, bist du einen Augenblick später tot«, sagt sie gelassen.
    »Bist du übergeschnappt?«, rufe ich aufgebracht.
    »Deshalb wirst du mir aufs Wort gehorchen, hast du verstanden?« Jódís fährt mit ihrer linken Hand an

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