Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
rollte die Frau nun vorsichtig zurück auf den Bauch. »Die Hände sind mit irgendwelchen altmodischen Handschellen gefesselt. Das Fabrikat sagt mir nichts. Ihre Armbanduhr ist kaputt und zeigt exakt acht Uhr an. Das sieht nicht nach einem Zufall aus.« Amelia tastete das schmale Handgelenk der Toten ab. Es war gebrochen. »Ja, Rhyme, er hat mit Wucht draufgetreten. Ein hübsches Modell, eine Seiko. Warum hat er die Uhr zertrümmert und nicht etwa gestohlen?«
    »Gute Frage, Sachs… Vielleicht hat es etwas zu bedeuten, vielleicht auch nicht.«
    Ein prima Wahlspruch für einen forensischen Wissenschaftler, dachte sie.
    »Eine der Polizistinnen hat das Seil um den Hals durchgeschnitten, aber der Knoten ist unversehrt.« Die Beamtin war korrekt vorgegangen, denn ein solcher Knoten konnte viel über die Person verraten, die ihn geknüpft hatte.
    Dann sammelte Sachs mit einem Kleberoller kleinere Spurenpartikel ein. Man war in Fachkreisen allgemein zu der Ansicht gelangt, dass ein tragbarer Staubsauger zu viele unerwünschte Teilchen mit aufsog, und so griffen die meisten kriminaltechnischen Abteilungen mittlerweile auf diese Roller zurück, die in privaten Haushalten oft zur Entfernung von Hunde- und Katzenhaaren genutzt wurden.
    Amelia verpackte die gewonnenen Spuren in kleine Plastiktüten, kämmte mit einem Spezialkamm die Haare der Toten durch und nahm Proben unter den Fingernägeln der Leiche.
    »Ich mache mich jetzt an das Gitternetz«, sagte sie dann.
    Dieser Ausdruck stammte von Lincoln Rhyme und bezeichnete seine bevorzugte, weil gründlichste Methode zur Untersuchung eines Tatorts. Man durchmaß dabei das betreffende Areal in mehreren Bahnen erst senkrecht und dann waagerecht, wobei die Decken und Wände ebenso viel Beachtung finden mussten wie der Boden.
    Sachs fing an, hielt nach weggeworfenen oder fallen gelassenen Gegenständen Ausschau, sammelte Partikel ein, nahm elektrostatische Abdrücke der Fußspuren und schoss Digitalfotos. Das Aufnahmeteam der Spurensicherung würde später noch eine umfassende Bild- und Videodokumentation des Schauplatzes anfertigen, aber da dieser Vorgang einige Zeit beanspruchte, ließ Rhyme sich stets mit einer Reihe von Vorabfotos versorgen.
    »Officer?«, rief Sellitto.
    Amelia wandte sich um.
    »Nur eine kurze Frage… Da wir nicht wissen, wo dieses Arschloch abgeblieben ist, soll ich Ihnen nicht lieber jemanden zur Verstärkung reinschicken?«
    »Nein«, sagte sie und dankte ihm insgeheim dafür, dass er sie an den verschwundenen Mörder erinnert hatte. Ein weiterer von Lincoln Rhymes Wahlsprüchen lautete: Lass dir keine Einzelheit entgehen, aber pass auf dich auf. Sie tastete nach dem Griff der Glock, um die Waffe bei Bedarf schnell ziehen zu können – unter dem Tyvek-Overall rutschte das Holster immer ein Stück nach oben –, und setzte die Suche fort.
    »Okay, ich hab was«, teilte sie wenig später Rhyme mit. »In der Vorhalle, ungefähr drei Meter vom Opfer entfernt. Ein Stück schwarzer Stoff. Seide. Ich meine natürlich, es
sieht
wie Seide
aus
. Es liegt über einem Teil der Flöte des Opfers, also muss es von ihm oder ihr stammen.«
    »Interessant«, murmelte Rhyme. »Was
das
wohl wieder zu bedeuten hat?«
    Darüber hinaus fand sich in der Vorhalle nichts. Amelia betrat das Auditorium und hielt die Hand in der Nähe der Waffe. Im ersten Moment ließ ihre Anspannung nach, weil sofort ersichtlich war, dass es hier tatsächlich kein Versteck für einen Täter geben konnte, keine Geheimtüren oder verborgenen Ausgänge. Doch als sie das Gitternetz abschritt, wurde ihr immer unbehaglicher zumute.
    Gruselig…
    »Rhyme, das ist irgendwie merkwürdig…«
    »Ich kann dich nicht hören, Sachs.«
    Ihr wurde klar, dass sie vor lauter Verunsicherung geflüstert hatte.
    »Die umgeworfenen Stühle sind mit einer verbrannten Kordel umwickelt, außerdem mit Zündschnüren, so wie’s aussieht. Ich rieche Nitrat- und Schwefelrückstände. Die Beamtinnen sagten, er habe einen Schuss abgefeuert. Aber es riecht nicht nach rauchlosem Schießpulver, sondern anders. Ah, okay… Da liegt ein kleiner grauer Knallkörper. Vielleicht war das der vermeintliche Schuss… Halt, da ist noch etwas – unter einem der Stühle. Eine kleine grüne Platine, an der ein Lautsprecher hängt.«
    »›Klein‹?«, fragte Rhyme sarkastisch. »Ein Schuh ist klein, verglichen mit einem Quadratmeter. Und ein Quadratmeter ist klein, verglichen mit einem Hektar, Sachs.«
    »Tut mir Leid. Die Platine misst

Weitere Kostenlose Bücher