Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
Leute waren alle zu Hause und bügelten ihre Wäsche, halfen den Kindern bei den Hausaufgaben… und klebten wie gebannt vor den Fernsehgeräten, um zu verfolgen, wie CNN von der schrecklichen Tragödie im Central Park berichtete.
    Er eilte in sein Apartment, schaltete das Licht aber nicht ein.
    Und nun geht die Show zu Ende, verehrtes Publikum, so wie immer.
    Doch es liegt in der Natur unserer Kunst, dass das, was den Zuschauern von heute alt erscheint, an anderen Orten denen von morgen und übermorgen frisch und einfallsreich vorkommt.
    Wussten Sie, meine Freunde, dass die vielen Vorhänge, die ein Künstler bei langem Applaus erhält, nicht als Dank an ihn gemeint sind, sondern eigentlich ihm die Gelegenheit verschaffen sollen, sich bei seinem Publikum zu bedanken – bei den Menschen, die so freundlich waren, ihm und seiner Show ihre Aufmerksamkeit zu schenken?
    Nehmen Sie also meinen aufrichtigen Dank dafür entgegen, dass Sie mich bei meinen bescheidenen Anstrengungen mit Ihrer Gegenwart beehrt haben. Ich hoffe, ich konnte Ihnen Aufregung und Vergnügen bereiten. Ich hoffe, Sie sind mir mit Staunen auf diese Reise in die Unterwelt gefolgt, wo Leben sich in Tod verwandelt, Tod in Leben und das Wirkliche ins Unwirkliche.
    Ich verneige mich vor Ihnen, verehrtes Publikum…
    Er zündete eine Kerze an, setzte sich auf das Sofa und ließ die Flamme nicht aus den Augen. Heute Abend würde sie erzittern und ihm eine Botschaft übermitteln, davon war er fest überzeugt.
    Er saß mit starrem Blick vorgebeugt da, genoss das befriedigende Gefühl der endlich vollzogenen Vergeltung, wiegte sich wie hypnotisiert vor und zurück und atmete nur sehr langsam.
    Die Kerze flackerte. Ja!
    Sprich zu mir.
    Sie flackerte erneut…
    Und tatsächlich wurde im nächsten Moment eine Botschaft übermittelt.
    Allerdings ging das Flackern nicht auf den Geist einer längst verstorbenen geliebten Person zurück, sondern allein auf den kühlen Luftzug, der ins Zimmer strömte, als die Tür mit einem Rammbock eingeschlagen wurde und ein halbes Dutzend Polizisten in voller Körperpanzerung die Wohnung stürmten. Sie schleuderten den keuchenden Illusionisten zu Boden, und einer von ihnen – es war die rothaarige Beamtin, die er seit gestern kannte – hielt ihm eine Pistole an den Hinterkopf. Dann las sie ihm mit ruhiger Stimme seine Rechte vor.

…Siebenundvierzig
    Das Gewicht Lincoln Rhymes und seines Rollstuhls ließ die Arme der beiden schwitzenden ESU-Beamten zittern, als sie ihn die Stufen ins Gebäude hochschleppten. Im Treppenhaus übernahm er selbst und lenkte den Storm Arrow in die Wohnung des Hexers. Neben Amelia Sachs blieb er stehen.
    Während die Beamten des Sondereinsatzkommandos alle Räume sicherten, durchsuchten Bell und Sellitto den verblüfften Täter. Rhyme hatte vorgeschlagen, einen Arzt aus der Gerichtsmedizin hinzuzuziehen. Der traf kurz darauf ein und nahm sich den Mann genauer vor. Es erwies sich als eine gute Idee; der Arzt fand mehrere Schlitze in der Haut des Mannes – sie sahen wie kleine Narben aus, ließen sich aber öffnen. Im Innern waren winzige metallene Werkzeuge versteckt.
    »Lassen Sie ihn auf der Krankenstation des Untersuchungsgefängnisses röntgen«, sagte Rhyme. »Halt, warten Sie, führen Sie lieber eine Kernspintomographie durch. Durchleuchten Sie jeden Quadratzentimeter.«
    Nachdem man dem Hexer drei Paar Handschellen und zwei Paar Fußfesseln angelegt hatte, brachten zwei Beamte den Mann am Boden in eine sitzende Position. Der Kriminalist besichtigte unterdessen ein Schlafzimmer voller Requisiten und Utensilien. Die Masken, falschen Hände und Latexprothesen verliehen dem Raum eine gespenstische Ausstrahlung, doch Rhyme empfand bei dem Anblick dieser Gegenstände eher ein Gefühl der Leere: Sie waren hier verstaut, um den grausigen Plänen eines Mörders zu dienen, anstatt im Rahmen einer Show viele Tausend Menschen zu unterhalten.
    »Wie?«, flüsterte der Hexer.
    Rhyme registrierte den verwunderten, ja geradezu bestürzten Blick. Er genoss den Moment. Jeder Jäger würde bestätigen, dass die Pirsch das eigentlich Aufregende war. Doch kein Jäger konnte wirklich zufrieden sein, solange er nicht diesen einen Moment der Hochstimmung erlebte, wenn er endlich die Beute zur Strecke gebracht hatte.
    »Wie haben Sie es herausgefunden?«, wiederholte der Mann mit asthmatischem Pfeifen.
    »Dass Sie es auf den Zirkus abgesehen hatten?« Rhyme sah Sachs an.
    »Es gab nicht allzu viele Spuren, aber sie

Weitere Kostenlose Bücher