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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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gehe.«
    »Du…«
    »Ich habe mit Ed Kadesky gesprochen. Er hat mir einen Job beim Cirque Fantastique gegeben.«
    »Bei der Truppe? Kadesky? Nein, nein, nein – da bist du völlig falsch. Das ist keine Zauberkunst. Das ist…«
    »Es ist das, was ich tun möchte.«
    »Wir haben das doch schon ein Dutzend Mal diskutiert. Du bist noch nicht so weit. Du bist gut. Herausragend bist du nicht.«
    »Das ist egal«, sagte sie entschlossen. »Was zählt, ist die Möglichkeit, auftreten zu können und Erfahrungen zu sammeln.«
    »Falls du es übereilst…«
    »Es übereilen, David? Übereilen? Wann wäre ich denn so weit? Nächstes Jahr? In fünf Jahren?« Normalerweise hielt sie seinem Blick nur schwer stand. Heute schaute sie ihm direkt ins Gesicht. »Würden Sie mich überhaupt jemals gehen lassen?«
    Er antwortete nicht sofort, sondern schob einige Papiere zusammen und knallte sie auf den zerkratzten, rissigen Tresen. »Kadesky«, spottete er. »Und was sollst du bei ihm werden?«
    »Zunächst Assistentin. Im Winterquartier darf ich dann erste eigene Auftritte in Florida absolvieren. Und danach – wer weiß?«
    Er drückte die Zigarette aus. »Du machst einen Fehler. Du wirst dein Talent verschwenden. Bei ihm wird nicht die Art von Zauberkunst aufgeführt, die ich dir beigebracht habe.«
    »Ich habe die Anstellung bekommen,
weil
Sie mir so viel beigebracht haben.«
    »Kadesky«, schnaubte er noch einmal verächtlich. »Neumodisches Zeug.«
    »Ja, das ist es«, sagte sie. »Aber ich werde auch Ihre Nummern verwenden. Eine Metamorphose – wissen Sie noch? Aus Alt wird Neu.«
    Er lächelte nicht, aber sie spürte, dass er sich durch den Verweis auf seine Arbeit geschmeichelt fühlte.
    »David, ich möchte auch weiterhin bei Ihnen lernen. Wenn ich wieder in New York bin, möchte ich Unterricht nehmen. Ich werde die Stunden bezahlen.«
    »Ich glaube, das würde nicht funktionieren. Du kannst nicht zwei Herren dienen«, murmelte der Mann. Als Kara nichts sagte, fügte er widerwillig hinzu: »Wir werden sehen. Vielleicht habe ich gar keine Zeit dafür. Wahrscheinlich klappt es sowieso nicht.«
    Sie schob sich den Riemen der Handtasche höher auf die Schulter.
    »Jetzt gleich?«, fragte er. »Du gehst
sofort

    »Ja. Ich glaube, so ist es am besten.«
    Er nickte.
    »Also dann«, sagte Kara.
    »Auf Wiedersehen«, verabschiedete der Illusionist sich förmlich und ging ohne weiteren Kommentar hinter den Tresen.
    Auf dem Weg zur Tür musste Kara gegen die Tränen ankämpfen.
    »Warte«, rief er, als sie schon fast draußen war. Er verschwand im hinteren Teil des Ladens, kehrte gleich darauf zurück und gab ihr etwas. Es war die Zigarrenkiste, in der Tarbells drei bunte Seidentücher lagen.
    »Hier. Nimm sie mit… Die Nummer hat mir gefallen. Es war ein wasserdichter Trick.«
    Sie erinnerte sich an sein Lob.
Ah…
    Kara trat vor, umarmte ihn hastig und dachte, dass dies vermutlich die erste Berührung zwischen ihnen beiden war, seit sie ihm vor achtzehn Monaten die Hand geschüttelt hatte.
    Er schloss sie ebenfalls unbeholfen in die Arme und wich dann zurück.
    Kara ging hinaus, hielt inne und drehte sich um, weil sie ihm zuwinken wollte, aber Balzac war im Halbdunkel des Ladens verschwunden. Sie verstaute die Schachtel mit den Seidentüchern in ihrer Handtasche und wandte sich in Richtung Sechste Avenue, auf der sie nach Süden abbiegen würde. Von dort aus war es nicht mehr weit bis zu ihrer Wohnung.

…Zweiundfünfzig
    Der Mordfall war in der Tat absonderlich.
    Zwei Tote in einem abgelegenen Winkel von Roosevelt Island – dem schmalen Landstreifen voller Apartments, Krankenhäuser und gespenstischer Ruinen mitten im East River. Da die Hochbahn von hier unweit des Hauptgebäudes der Vereinten Nationen in Manhattan endete, wohnten auf der Insel viele Diplomaten und UN-Angestellte.
    Auch die Opfer zählten zu dieser Personengruppe – sie waren Abgesandte vom Balkan mit niedrigem Dienstrang. Man hatte ihnen die Hände gefesselt und jeweils zwei Kugeln in den Hinterkopf gejagt.
    Bei der Untersuchung des Tatorts war Amelia Sachs auf ein paar merkwürdige Dinge gestoßen. Sie hatte Asche einer Zigarettenmarke gefunden, die anhand der Tabakdatenbanken nicht identifiziert werden konnte, Partikel einer Pflanze, die nicht im Stadtgebiet heimisch war, und die Abdrücke eines schweren Koffers, den man neben den Männern abgestellt und offenbar erst nach der Hinrichtung geöffnet hatte.
    Am seltsamsten aber war, dass jedem der beiden

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