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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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er nicht allein war; schon am nächsten Tag folgte eine erste »Anordng.«.
    Fandorin sah von den Notizen auf und blickte wieder die Frau an, die immer noch ihrem Bewusstseinsstrom freien Lauf ließ:
    ». . . Fast die ganze Zeit allein . . . Und habe keinen außer ihm. Auch keine Freundinnen, niemand. Früher hatte ich wenigstens meine Mutter. Ja, wenn ich ein Kind hätte. Das wäre etwas ganz anderes. Aber was bringt es, sich zu beklagen? Was habe ich für einen Grund dazu? Es wäre wirklich vermessen von mir. Ich kann froh sein, dass ich lebe . . .«
    »Salzman, Generaldirektor der Gesellschaft › Intermedconsulting ‹ . Sagt Ihnen dieser Name etwas?«, unterbrach Nicholas sie.
    »Ach, Sie haben Michail Lwowitsch gekannt? Ein früherer Partner von Mirat. Die beiden haben das Unternehmen damals zusammen gegründet und die Methode entwickelt. Aber dann hat sich Salzman unfair benommen. Er hat seine eigene Klinik aufgemacht und Mirats Unterlagen geklaut. Natürlich nicht alle, aber immerhin so viele, dass sein Geschäft erfolgreich lief. Er selber taugt als Chirurg überhaupt nicht, eine totale Niete. Er ist mehr Geschäftsmann als Arzt. Beziehungsweise richtiger: war, denn er lebt nicht mehr. Er war in irgendwelche dunklen Geschäfte verwickelt und wurde umgebracht.«
    Volltreffer!
    »Und Sjatkow von der › Ehrlichen Bank ‹ , kennen Sie den?«
    Inga klatschte zornig in die Hände und rief aus:
    »Und ob ich den kenne! Ein seltener Schuft! Wie oft der bei uns zu Hause war und sich bei Mirat eingeschmeichelt hat, und dann hielt er es noch nicht einmal für notwendig vorzuwarnen, dass ihm der Bankrott bevorsteht. Wissen Sie, wie viel Geld wir dadurch verloren haben? Mirat hat Sjatkow gut zugeredet: Gib wenigstens einen Teil zurück. Er hat Millionen ins Ausland verschoben, ist stolzer Besitzer einer Villa in Cannes, und seinen Mercedes hat er seiner Nichte überschrieben. Er wollte nicht hören. Da haben sich eben Gläubiger gefunden, die härter als Mirat sind – die haben ihn mit seinem Mercedes in die Luft gesprengt.«
    Der nächste Schritt war klar, Fandorin nickte sich selber zu. Nun war der Klassenkamerad an der Reihe. Der Grund war nicht die alte Feindschaft, sondern das Iljitschowsker Kombinat. Kuzenko wollte Jastykow den Leckerbissen streitig machen, den sich Jastykow in mühsamer Kleinarbeit verdient hatte. Mirat Leninowitsch wusste sehr wohl, dass Jasti sich für diese Beute auf einen Kampf um Leben oder Tod einlassen würde. Also hatte er einen Präventivschlag beschlossen. Aber Oleg Stanislawowitsch war weitsichtiger als Salzman und Sjatkow gewesen – er hatte das wahnwitzige Urteil ernst genommen und Jeanne die Sache untersuchen lassen. Die weitere Entwicklung der Ereignisse war bekannt, weil der Präsident der Firma »Land der Räte« persönlich äußerst aktiv in sie verwickelt war . . .
    »Was haben Sie?«, fragte Inga. »Was flüstern Sie die ganze Zeit?«
    »Und wann ist Mirat Leninowitsch auf die Idee gekommen, das Iljitschowsker Kombinat zu kaufen?«
    »Ich habe vor einem halben Jahr zum ersten Mal davon gehört. Vielleicht auch später. Er war total begeistert von dieser Idee! Wissen Sie, wenn ihm etwas in den Kopf kommt, dann ist er ganz verbohrt und geht vor wie eine Dampfwalze: Er rückt ohne Rücksicht auf Verluste vor und mäht alles nieder, was ihm in den Weg kommt. Aber mit dem Kombinat war es anders.« Inga schluchzte auf. »Im August fand er Mira. Mirat war danach nicht wiederzuerkennen. Er wurde weicher und blieb häufiger zu Hause. Sogar zum Fernsehen ist er mit dem armen Hascherl gegangen.«
    Und sie brach in bitteres Weinen aus und scherte sich nicht darum, dass ihr die Wimperntusche herunterlief.
    Nicholas hielt den Atem an, weil ihm eine neue Erleuchtung gekommen war, und fragte ganz leise:
    »Hat er Ihnen denn früher schon davon erzählt, dass er seine Tochter sucht?«
    »Nein. Manchmal ist er wie ein dummer Junge, das weiß nur ich. Er hatte Angst, ich würde ihm böse sein. Warum? Wegen dieser Jugendsünden? Was ist denn schon dabei. . .?«
    »Das heißt, Sie haben von Mirandas Existenz erst im August erfahren?«
    »Ja, Ende August.«
    Na toll, Kuzenko!
    Zu diesem Zeitpunkt hatte man Mirat Leninowitsch wahrscheinlich davon in Kenntnis gesetzt, dass es nicht so leicht sein würde, den vorsichtigen Jastykow, der von Jeanne beschützt wurde, aus dem Weg zu räumen, und er hatte sich eine raffiniertere Kombination ausgedacht.
    Er suchte nach einem Mädchen, das aussah wie ein

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