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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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las.
    Die Anzeige hatte folgenden Wortlaut:
    ***
    LAND DER RÄTE
    Sie brauchen einen guten Rat, wissen aber nicht, an wen Sie sich wenden sollen?
    Sie stehen vor einer wichtigen Entscheidung, können sie aber nicht treffen?
    Sie meinen, alles ist aus und es gibt keinen Ausweg?
    Es gibt keine ausweglose Situation! Es gibt immer einen Ausweg!
    Einen Ausweg findet Ihr Experte für klugen Rat:
    MAGISTER N. FANDORIN
PRÄSIDENT DES LANDES DER RÄTE,
eines Zauberlandes, für das man kein Visum braucht
und in dem jeder Besucher mit Respekt und
Verständnis behandelt wird.
Erfolgsgarantie!
    Kontakttelefon: 70 958 887 777
    ***
    Eine Riesenanzeige über die ganze Seite. Der Korrespondent hatte in der Werbeabteilung der Zeitung »Eross« angerufen, einer scheußlichen pornographischen Publikation, die er regelmäßig am Kiosk kaufte (man muss sich über den Grad des Sittenverfalls ja schließlich auf dem Laufenden halten), und erfahren, dass eine ganzseitige Anzeige fünfzehntausend Dollar kostete. Das heißt, der Experte für kluge Ratschläge musste Geld haben wie Heu, sein Geschäft florierte. Das war ja vielleicht ein Name: »Land der Räte«. So etwas nennen die Zyniker der Gegenwart Verarschung. Na, wir werden ja sehen, wer zuletzt lacht.
    Hier auf der Zeitung hatte er mit kleiner, nervöser Schrift die telefonisch erfragte Adresse notiert: Uliza Soljanka 1, Office 13 a.
    Nachdem er das Blatt zusammengefaltet und in die Tasche zurückgesteckt hatte (zu einem weiteren Papier, an dessen dicken, scharfen Kanten die Finger des Korrespondenten liebevoll entlangstrichen), bog er links in den Fußgängertunnel ein.
    Jedes Mal vor einem Lokaltermin überkam ihn eine besondere Erregung, in der wohl der Hauptreiz der ihm auferlegten Mission bestand. Womit könnte man dieses Gefühl vergleichen? Als ob die Brust nicht die trübe Moskauer Luft einatmete, sondern gekühlten Sekt, der die Bronchien und die Luftröhre mit lustigen Bläschen kitzelte. Das ist keine Selbstzufriedenheit und, Gott bewahre, keine Anmaßung nach dem Motto: Wenn ich will, wird er hingerichtet; wenn ich will, wird er begnadigt. Da gibt es keinerlei Willkür, keinerlei Voreingenommenheit. Wenn du für die Rolle des strafenden Auges und des erhobenen Zeigefingers auserwählt bist, musst du dich von allem Persönlichen frei machen und darfst dich nicht ereifern.
    Wenn ich der Auserwählte bin, muss es etwas Besonderes an mir geben, dachte der Korrespondent, betrachtete sich in der Scheibe des Kiosks und war zufrieden: eine stattliche Figur, eine stolze Haltung, der Anzug hing ein bisschen sackförmig an ihm herunter, war aber doch elegant, obwohl er ihn schon 1977 auf einer Dienstreise in Beirut gekauft hatte.
    Die Hausnummer eins der Uliza Soljanka zog sich fast über einen ganzen Straßenblock, umfasste mehrere Höfe und zahlreiche Aufgänge. Da konnte man sich dumm und dämlich suchen, um Office 13 a zu finden.
    Aber keine Sorge, er fand es.
    Das »Land der Räte« war eine interessante Firma: Es gab keinerlei Hinweis auf einem Schild oder einer Tafel. Offenbar wollte Herr Magister N. Fandorin von seinem Geschäft kein Aufhebens vor den Nachbarn machen.
    Heiß, zeigte ihm sein beschleunigter Herzschlag an, heiß.
    Der Aufgang war allerdings etwas enttäuschend. Weder Wachpersonal noch eine Concierge gab es, man brauchte noch nicht einmal einen Code für die Haustür, da konnte jeder hereinspazieren. Die Farbe an den Wänden war abgeblättert, der Aufzug vorsintflutlich.
    Ein klarer Fall: Der Mann, der die ganzseitige Anzeige aufgegeben hatte, täuschte Armut vor, er betrieb Steuerhinterziehung, er wollte seine ergaunerten Einkünfte nicht mit der Gesellschaft teilen.
    Im fünften Stock hing eine Kupfertafel mit der Aufschrift: »Office 13 a«, das war alles. Eine langbeinige Schönheit mit violetten Haaren und wilden grünen Augen öffnete dem Korrespondenten. Sie trug eine eng anliegende Lederhose, hatte halsbrecherisch hohe Absätze und orange Lippen.
    »Bin ich richtig?«, fragte der Korrespondent. »Bin ich hier bei der Firma › Land der Räte ‹ ?«
    Enttäuschung überkam ihn: und wenn das nun schlicht und ergreifend ein Bordell war? Schließlich hatte ja auch die Werbeanzeige nicht irgendwo, sondern ausgerechnet in der Zeitung »Eross« gestanden. Dann hätte er seine Zeit vertan, kleine Sünden fielen nicht in sein Ressort.
    »Genau«, antwortete das eindrucksvolle Mädchen. »So what?«
    Das sollte Englisch sein, wie der Korrespondent nicht sofort

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