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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Stripteaseclub »Schwulengesang«, einem treuen Anzeigenkunden, abonniert war, geplatzt), aber es war trotzdem ein fürstliches Geschenk.
    Seine Lebensgefährtin zerbrach sich schon lange den Kopf, wie sie Nickis Geschäft fördern könnte, ohne ihn in seiner männlichen Eitelkeit zu kränken. Über den Verdienst des Verkäufers guter Ratschläge konnte man leider nur lachen, kein Vergleich mit dem Gehalt des Chefredakteurs einer Wochenzeitung. Altyn sagte schon lange: Du musst Werbung machen, ohne sie wirst du die Ware nicht los, egal, wie gut sie ist. Da hatte die listige Asiatin also den Geburtstag ausgenutzt, um das schlaffe Segel des »Landes der Räte« mit frischem Werbewind zu füllen.
    Der Name der Gesellschaft war in Qualen geboren worden. Nickis Mitbegründer und Hauptinvestor hatte vorgeschlagen, die vorbildliche Firma für Dienstleistungen neuen Typs »Wünschelrute« zu taufen, aber Altyn war strikt dagegen und erklärte, sie habe dieses gleichnamige Kitschmärchen schon in ihrer Kindheit nicht ausstehen können. Als sie später die Chefredaktion der Zeitung »Eross« übernahm, besaß sie die Bosheit, einer Rubrik absolut nicht kindlichen Inhalts ausgerechnet diesen Titel zu geben.
    Der Name »Land der Räte« stammte von Fandorin selbst; er war sehr stolz auf diesen Einfall, konnte ihn aber erst nach schweren Kämpfen durchsetzen. Sowohl der Mitbegründer als auch seine Frau erklärten einhellig, sie fänden diese Wendung zum Kotzen, schon allein der Klang der Worte schrecke wohlhabende Kunden ab, er sei allenfalls attraktiv für die kommunistischen Idioten, die ohnehin kein Geld hätten. Aber Nicholas blieb dabei. Er fand, man könne nicht so tun, als habe es diese siebzig Jahre nicht gegeben. Warum sollte man die Lexik und Symbolik der Sowjetperiode meiden? Das ist dasselbe, als wenn du so tust, als habe es das vorige Jahr in deinem Leben nicht gegeben, sondern nur das vorvorige und alle davor. Oder als ob du nicht von deinem Vater und deiner Mutter, sondern direkt von deiner Großmutter und deinem Großvater abstammtest. Diese siebzig Jahre sind Realität, es hat keinen Sinn, sie demontieren, sie einfach durchstreichen zu wollen. Das birgt nur die Gefahr, dass die Sowjetepoche nach einiger Zeit wieder in den Himmel gelobt und rehabilitiert wird, wie alles, was zu sehr bestraft wird. Ja, es hat in der Sowjetunion viel Schlechtes, aber auch einiges Gutes gegeben. Die bolschewistischen Verbrecher haben mindestens drei große Leistungen vollbracht, die die Monarchie nicht zustande gebracht hat: sie haben die Hungernden gespeist, den Analphabetismus beseitigt und den deutschen Imperialismus geschlagen. Und wenn man die von allen verfluchten Räte nimmt? Sir Alexander, sein verstorbener Vater, bekam Krämpfe von diesem Wort, er mied diese schreckliche Lautverbindung sogar in der Alltagslexik und sagte nicht »mein Rat«, sondern »meine Empfehlung«, sagte nicht »Lassen Sie uns beraten«, sondern »lassen Sie uns unsere Empfehlungen austauschen«. Um Himmels willen, was ist denn eigentlich schlecht an den Räten? Sie sind eine spontan entstandene Form von demokratischem Parlamentarismus.
    Ach, was musste sich Nicholas nicht alles an Beleidigungen von seiner geliebten Gattin anhören: Da war von impotentem Objektivismus und primitivem europäischem Linksradikalismus die Rede! Es hatte einen Moment gegeben, wo er sogar unsicher geworden war und in den Namen »Land des guten Rates« einwilligen wollte, aber im letzten Moment hatte er sich doch für die Variante »Land der Räte« entschieden, der andere Name klang zu harmlos.
    Und die Angst vor den bettelarmen kommunistischen Idioten, die sich in Scharen durch die ihnen ans Herz gewachsene Formulierung angesprochen fühlen könnten, war unbegründet gewesen. Während der ganzen sechs Jahre, die die Firma nun existierte, war dieser Cremplin-Typ der Erste, der aussah wie ein Gast aus der traurigen sozialistischen Vergangenheit.
    »Ja, Sie will ich sprechen, Sie, wen denn sonst?«, antwortete der Besucher auf die schwachsinnige Frage und fügte sarkastisch hinzu: »Wenn Sie denn N. Fandorin sind, Magister, Experte für kluge Ratschläge und Präsident. Ich habe ein äußerst schwieriges, ja schlicht unlösbares Problem. Was kostet das bei Ihnen?«
    Nicholas betrachtete den Eingetretenen nun anders: mit Hoffnung. Vielleicht hatte ihn der erste Eindruck getrogen, und er bekam endlich Arbeit? Schließlich hatte sich dieser Schwächling erst bei Valja

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