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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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etwas zu schaffen wie die amerikanischen Drugstores: eine Mischung aus Apotheke und Cafeteria. Äußerst bequem und modern. Womit hatten die Apotheken denn Schibjakins Zorn auf sich gezogen?
    Na, und schließlich das Schlusslicht der Liste, dessen Schicksal Fandorin am meisten beschäftigte. Wie er in diese Schlinge geraten war, war nicht schwer zu erraten: Das hatte er der tollen Reklame im »Eross« zu verdanken. Jetzt interessierte ihn mehr die Frage, was den Präsidenten der Firma »Land der Räte« in Zukunft erwartete.
    Beim zweiten Lesen des spannenden Dokuments tauchten viele Fragen auf. Warum gab es ab dem vierten Kandidaten nach dem Wort »Urteil« Klammern, in denen Korr. oder Anordng. stand. Was bedeuteten diese Abkürzungen? Warum waren die Urteile gegen Suchozki, Lewanjan und Kuzenko, vom Zeitpunkt her die ersten, bis jetzt nicht vollstreckt worden, während Salzman und Sjatkow sofort hingerichtet worden waren? Und die Frage, die ihm am meisten unter den Nägeln brannte: Sind die »Unfassbaren« der Meinung, Fandorin sei das Urteil schon zugestellt worden oder nicht?
    Nicholas drückte die Stirn gegen die eisige Glasscheibe, blickte zerstreut nach unten und sah, wie ein Shiguli mit angestelltem Blaulicht an der Straßenkante hielt.
    Die Miliz! Endlich!
    Dem Auto entstieg der Beamte Wolf. Er legte den Kopf in den Nacken und sah an dem Haus hoch. Wieso kam er alleine, ohne Spurensicherung, ohne Fotografen? Merkwürdig.
    Der Hauptmann nahm sein Handy aus der Tasche und wählte.
    Richtig, er kannte ja den Türöffnungscode nicht. Er rief wahrscheinlich hier in der Wohnung an.
    Fandorin sah sich nach einem Telefon um und fand es, fachmännisch in seine Bestandteile zerlegt, auf dem Boden. Die Schlaumeier hatten sogar den Apparat auseinander genommen, statt sich die Zeit zu nehmen, die Papiere durchzusehen.
    Er musste nach unten. Selbst wenn das Telefon funktioniert hätte, Nicholas wusste den Türöffnungscode ja sowieso nicht.
    Ohne den wertvollen Zettel aus der Hand zu legen, ging er ins Treppenhaus.
    Während er auf den Aufzug wartete, dachte er: Es gibt viele Unklarheiten in der Liste, aber die Miliz weiß jetzt wenigstens, wer gejagt wird. Sie wird also diese Leute, wie wir hoffen, beschützen.
    Sie kamen fast gleichzeitig an der Haustür an, Nicholas von innen und Wolf von außen.
    Irgendwo hier in der Nähe musste sich der Knopf befinden, der das Schloss öffnete. Die Lampe brannte nicht, Fandorin tastete mit der Handfläche die Wand ab.
    Er wollte rufen: »Einen Augenblick!«
    Aber er tat es nicht.
    Durch die getönte Scheibe (offenbar ein Rest des früheren Glanzes der Nomenklatura) sah man, wie der Hauptmann ein kleines Notizbuch konsultierte und ohne Zögern auf die Knöpfe drückte.
    Er kannte den Code? Woher?!
    Die Tür öffnete sich nach innen und drückte den wie vor den Kopf geschlagenen Magister an die Wand. Ohne Fandorin zu bemerken, ging der Hauptmann vorbei und lief leichtfüßig die Stufen zum Aufzug hoch.
    Nicholas rief nicht.
    Er wartete, bis der Aufzug weg war, und lief Hals über Kopf aus dem Hauseingang.
    Er drückte so aufs Gas, dass er fast den Motor abgewürgt hätte.
    So ein Ding! Das war ja ein feiner Beamter! Wenn er den Code kannte, kannte er also auch die Adresse. Warum hatte er das verschwiegen?
    Die nicht von der Hand zu weisende Schlussfolgerung war wenig erfreulich. Herr Wolf steckte offenbar mit den nächtlichen Besuchern der Wohnung 36 unter einer Decke. Ob er womöglich auch mit den Mördern des verrückten Iwan Iljitsch bekannt war?
    Und was, wenn er gar kein Milizionär war? Vielleicht war er ja der Mörder. Deshalb war er auch allein gekommen. Um das Urteil an dem Unternehmer Fandorin zu vollstrecken, ja?
    Aber der Miliz-Shiguli? Und die dienstliche Telefonnummer auf der Visitenkarte?
    Autofahren in der Stadt Moskau ist eine ausgezeichnete Psychotherapie; zuverlässiger als jedes Beruhigungsmittel senkt es die nervliche Anspannung, indem es an ihre Stelle eine andere, weniger starke, normale Anspannung treten lässt. Ob du willst oder nicht, du wirst von jedem beliebigen, selbst dem panischsten Gedanken abgelenkt, wenn du dauernd den Kopf drehen musst, weniger, um die Regeln zu beachten, als um die anderen Autos im Blick zu behalten und die Aufmerksamkeit auf gefährliche Individuen wie Jeeps und Mercedesse zu konzentrieren, die die Angewohnheit haben, ohne zu blinken schlagartig die Spur zu wechseln.
    Wie jeden Tag ereignete sich wieder das übliche Wunder, ein

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