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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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angestellt, war irgendwie auf Schibjakin gekommen und hatte mit ihm auf seine Weise abgerechnet. Es war sehr wahrscheinlich, dass ihm Hauptmann Wolf, Mitglied des Untersuchungsstabs im Fall »Unfassbare Rächer«, bei seiner Suche behilflich gewesen war. In den heutigen Zeiten war eine Zusammenarbeit von Milizionär und Banditen leider nichts Ungewöhnliches. Der Teufel sollte sie alle holen! Sollten sie ihre Sachen doch allein regeln.
    Und die letzte Frage, die humanitäre: Man musste die fünf Verurteilten über die Gefahr, in der sie schwebten, informieren. Wenn die deduzierte Hypothese richtig war, wusste einer von ihnen das ohnehin, aber die anderen . . .
    Jetzt, da die Fragen auf dem Tisch lagen und sich auf jede eine Antwort gefunden hatte, konnte man auch handeln.
    Als Erstes rief Nicholas den Beamten an. Er entschuldigte sich kurz, dass er nicht auf ihn habe warten können, es sei etwas Dringendes dazwischengekommen. Wolf verhielt sich sehr viel respektvoller als gestern. Offenbar hatte die Geschwindigkeit, mit welcher der Chef der Firma »Land der Räte« den Toten identifiziert hatte, dem Hauptmann starken Eindruck gemacht. Er duzte ihn nicht, stellte keine überflüssigen Fragen und dankte sogar für die Hilfe bei der Fahndung, dieser Heuchler! Klar, dass er kein Killer war, er hatte sich einfach schmieren lassen. Wegen solcher Milizionäre, wie er einer war, nannte man sie »Müllmänner«, das war seit Ewigkeiten so.
    Dann rief Fandorin Valja zu sich und trug ihr auf, die Adressen der Firmen »Hippokrateseid«, »Wer mitspielt, gewinnt«, »Meeresfee Melusine«, »Klondike« und »Doktor Wehwehchen« ausfindig zu machen. Das dauerte zehn Minuten, wobei die fixe Valentina auch gleich die Telefon- und Faxnummern der Firmenleitung in Erfahrung brachte.
    »Nur der › Hippokrateseid ‹ ist out«, teilte sie Nicki mit und richtete den Lederriemen, den sie um die Stirn trug (Valja hatte heute das Aussehen einer Squaw: zwei Indianer-Zöpfchen, perlenbestickte Jacke, Wildlederhose mit Fransen, in Handarbeit hergestellte Mokassins). »Die haben dichtgemacht. Ihr Chef ist über den großen Teich gegangen.«
    »Ist er umgebracht worden?«, fragte Fandorin stöhnend, weil er dachte, der Chef sei über den Jordan gegangen.
    »Nein, er ist wirklich ausgewandert. Hat alles stehen und liegen gelassen und auf › Escape ‹ gedrückt. Schon im Sommer. Er suhlt sich in Amerika oder auf den Bahamas.«
    Ob er vor dem Urteil davongelaufen war?, fragte sich Nicholas. Oder Herr Suchozki hatte einfach Schwein gehabt: war rechtzeitig geflohen und hatte so sein Leben gerettet.
    Den anderen vier schrieb Fandorin einen Brief folgenden Inhalts:
    Sehr geehrter Herr (Lewanjan, Kuzenko, Schuchow, Jastykow),
    (Datum) Sie haben vor kurzem ein merkwürdiges Schreiben erhalten, in dem Unbekannte Sie zum Tode verurteilen. Wahrscheinlich haben Sie diesen Zettel für einen dummen Witz gehalten. Aber ich kann Ihnen versichern, diese Leute scherzen nicht. Zwei Unternehmer, denen ähnliche Benachrichtigungen zugesandt wurden, sind bereits umgebracht worden. Wenn Sie die Bestätigung haben wollen, können Sie sich an die 16. Abteilung der Moskauer Kriminalpolizei wenden. In jedem Fall rate ich dringend: Treffen Sie strengste Sicherheitsvorkehrungen.
    Ich bitte um Entschuldigung, dass ich diesen Brief nicht mit meinem Namen unterzeichne.
    Er war absolut nicht darauf versessen, dass diese Herrschaften womöglich beim »Land der Räte« um Erklärungen nachsuchten. Nicht umsonst hatte sie der verstorbene Schibjakin als »Schweine und Betrüger« eingestuft. Sie könnten auf die Idee kommen, Nicholas Fandorin wolle sie erpressen. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass einer von ihnen keine sonderliche Scheu hatte, sich über die Unantastbarkeit fremden Lebens und fremder Wohnräume hinwegzusetzen.
    Er trug Valja auf, die Briefe per Fax zu verschicken, die Telefonnummer und das Logo der Firma »Land der Räte« aber vorher unkenntlich zu machen.
    »Chef«, sagte die Assistentin, nachdem sie die Aufgabe – die einzige an dem ganzen Arbeitstag – erledigt hatte. »Was haben Sie denn so dizzy Augen, als wären Sie im Nirwana? Ich will auch dahin. Sie könnten die Office-Lady ja mal einladen abzuhotten. Nein, really. Es gibt ein supergeiles Klubrestaurant namens › Cholesterin ‹ . Totales Pêle-mêle, das wird Ihnen gefallen. Und zur Afterparty kann man beim › Rattenfänger ‹ antanzen. Sie sind doch ein freier Mensch – Ihre MM ist ja in

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