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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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aus.
    Trojan atmete tief in den Bauch.
    Was war mit Lene?

    War sie noch am Leben?
    Noch drei Sekunden.
    Da knickte der Mittelfinger des Spezialisten ein: noch zwei Sekunden.
    Es musste schnell gehen, überraschend und schnell, sonst hätte das Mädchen keine Chance.
    Dann knickte der Zeigefinger ein: Noch eine Sekunde.
    Würden sie es rechtzeitig schaffen?
    Schließlich war auch der Daumen des Spezialisten unten: Null.
    Trojan schluckte.
    Das war der entscheidende Moment. Nun hieß es: Zugriff!
    Er hielt seine Waffe mit beiden Händen umklammert, sie war geladen und gespannt. Er spürte den Lufthauch, als sich die Männer vom SEK lautlos in Bewegung setzten.
    Mit einem Krachen flog die Tür auf, und sie waren drin.
    Er hörte ihre Rufe, die dumpfen Schritte, ihre Tritte gegen die Zimmertüren.
    Konrad Moll, er wollte ihn vor sich sehen, am Boden, zwei Männer vom SEK auf ihm, er wollte ihm die Handfesseln anlegen, persönlich: Konrad Moll, Sie sind verhaftet.
    Er jagte die letzten Treppenstufen hinauf. Schon war er in der Wohnung.
    Die Männer waren überall. An ihren Maschinenpistolen waren Leuchten aufgesetzt, die Lichtkegel zuckten an den Wänden entlang.
    Doch dann spürte Trojan, wie sich die Spannung unter ihnen legte.

    »Was ist los?«, rief er in die Wohnung hinein.
    Ein Behelmter trat auf ihn zu.
    »Habt ihr ihn?«
    Er schwieg. Trojan versuchte in den Augen hinter dem Visier zu lesen.
    »Habt ihr den Kerl?«
    »Leer.«
    »Wie?«
    »Das Objekt ist leer.«
    »Keine Zielperson?«
    »Nichts.«
    »Und das Mädchen?«
    Der Behelmte bewegte leicht den Kopf.
    »Was ist mit dem Mädchen?«
    Er klappte sein Visier hoch.
    »Tut mir leid, Kollege, aber hier ist niemand.«
    Trojan atmete schwer.
    Er wollte das nicht glauben. Er inspizierte die Wohnung, zwei Zimmer, Küche, Bad.
    Er schob die Pistole ins Holster, sein Blick irrte umher.
    Gerber und das Team waren dicht hinter ihm.
    »Durchsuchen«, murmelte er.
    In der Küche standen zwei Tassen in der Spüle, die eine hatte einen Sprung. Er riss einen Schrank auf. Eine Tüte Reis kippte um, die Reiskörner rieselten vor ihm zu Boden.
    Trojan stieß einen leisen Fluch aus.
    »Wo bist du, du Schwein, ich krieg dich«, presste er zwischen den Lippen hervor.
    Da hörte er, wie Gerber nach ihm rief.
    »Nils, komm mal her.«

    Er kannte Gerber gut, er kannte das leichte Zittern in seiner Stimme.
    Und dieses Zittern bedeutete Unheil.
    »Wo bist du?«
    »Im Badezimmer.«
    Trojan ging zurück in den Flur.
    Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, bis er das Bad erreicht hatte.
    Die Männer vom SEK verließen einer nach dem anderen die Wohnung. Ihre Stiefel krachten auf dem Dielenboden, die Funkgeräte waren wieder laut gestellt und spuckten das übliche aufgeregte Geknister aus.
    Eine Stimme verlangte Theodor sieben zu sprechen, doch Theodor sieben antwortete nicht.
    Im Treppenhaus regten sich Bewohner, angelockt von dem Lärm.
    Endlich war er an der Badezimmertür. Schon von dort nahm er den eigenartigen Geruch wahr.
    Gerber stand vor der Wanne und deutete auf etwas darin.
    Trojan war, als hätte er Blei an den Schuhen, langsam näherte er sich seinem Kollegen.
    Er folgte Gerbers Blick.
    Da lag ein Höschen auf dem Boden der Wanne.
    Es war ein Kinderhöschen, weiß, mit roten Herzen darauf, zusammengeknüllt.
    Und es stank.
    Eine Zeit lang rührten sich beide nicht, dann beugte sich Trojan über den Wannenrand.
    Er streckte die Hand nach dem Höschen aus. Es kostete ihn einige Überwindung, der Gestank war bestialisch.

    Vorsichtig zupfte er an dem Stoff.
    Und dann sah er es.
    Er taumelte zurück.
    Hinter ihm unterdrückte Gerber ein leises Würgen. Der Gestank war jetzt noch stärker.
    Etwas war in das Höschen eingewickelt.
    Es war ein Vogel.
    Er war halb verwest, winzige Maden wimmelten in seiner geöffneten Bauchhöhle.
    Und er hatte keine Federn mehr.
    Trojan stieß die Luft aus. Kurz darauf sah er zu Gerber hin.
    »Kommen wir zu spät?«
    Gerber schwieg.
    »Ob wir zu spät kommen, hab ich dich gefragt!« Er schrie jetzt beinahe.
    Ronnie tastete nach seinem Arm.
    »Ich weiß es nicht, Nils«, sagte er leise.
    Es brauchte etliche Sekunden, bis sich Trojan wieder im Griff hatte.
    »Durchkämmt jeden Winkel«, murmelte er, »und schreibt Konrad Moll zur Fahndung aus.«
    Gerber nickte ihm wortlos zu.

DRITTER TEIL

DREIZEHN
    D er Verkehr auf der Karl-Marx-Straße war dicht und laut. Er war froh, als er das Einkaufscenter erreicht hatte. Mit der Rolltreppe fuhr er hinauf zu H&M. Aus

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