Der Federmann
Wohnort.«
»Aber möglichst unauffällig, bitte.«
Es war ihm eh schon nicht recht, dass ein paar Leute aus dem Haus mitbekommen hatten, wie im Treppenhaus nach
Spuren gesucht wurde, dann die übliche Befragung, ob sie etwas Verdächtiges gesehen hätten. Zum Glück war Doro nicht zu Hause gewesen.
»Weiß man schon irgendwas im Labor?«, fragte er.
»Ich hab, kurz bevor ich kam, angerufen. Druckerpapier der Marke Copy X, Laserdrucker von HP, vermutlich ein Modell aus der 10er Serie, handelsübliche Reißzwecke, Fingerspuren null, Faserspuren null. Sie versuchen es jetzt noch mit einem speziellen Infrarotverfahren, aber –«, er zog an seiner Zigarette, »machen wir uns lieber nicht zu viele Hoffnungen. Der Kerl ist clever.«
»Und die Spuren am Briefkasten kann man wahrscheinlich vergessen.«
Landsberg nickte. »An einem Briefkasten wimmelt es naturgemäß nur so von fremden Fingerabdrücken.«
»Was ist mit dem Vogel?«
»Die gleiche Art wie bei der ersten Toten.«
»Hast du dich eigentlich mal erkundigt, was das für eine Art ist?«
»Hab ich, ja. Es ist ein Gimpel, auch unter dem Namen Dompfaff bekannt.«
»Kommt der in unserer Gegend vor?«
»Nicht unbedingt häufig, manchmal in Gärten, also eher in den Außenbezirken.«
»Und das Blut?«
»Vogelblut, keine anderen Spuren. Aber wie gesagt, das ist erst das vorläufige Ergebnis.«
Landsberg nahm noch ein paar tiefe Züge, dann ließ er an der Spüle etwas Wasser über die Kippe laufen und warf sie in den Mülleimer.
»Und wie geht es deiner Frau, Hilmar?«
Er schlug die Augen nieder.
»In Ordnung«, sagte er in einem Tonfall, der das Gegenteil erahnen ließ.
»Und du, Nils? Bist du okay? Kann ich dich hier allein lassen?«
Er nickte.
»Fahr noch heute ins Kommissariat und hol dir deine Waffe, ist das klar?«
Wieder nickte er.
»Und schick deine Tochter nach Hause.«
Das hier ist doch auch ihr Zuhause, dachte er niedergeschlagen, aber er nickte noch einmal.
»Kopf hoch, Nils. Wir kriegen den Kerl.«
Und dann war Landsberg zur Tür hinaus.
Plötzlich stand Emily vor ihm. Er zuckte zusammen, er hatte sie nicht kommen hören.
»Ich muss also wieder gehen?«
»Emily, ich würde mich freuen, wenn du bleibst, aber es wäre besser, wenn –«
Er brach ab.
»Nur bis morgen, Papa, wie es abgesprochen war? Ich kann dich doch jetzt nicht allein lassen.«
Sie setzte sich zu ihm, er drückte ihre Hand.
»Was war denn nun in dem blöden Briefkasten?«, fragte sie leise.
»Ein Zettel mit einer Drohung«, murmelte er.
Den zerfetzten Vogel erwähnte er lieber nicht.
»Von diesem Mörder?«
Er nickte. »Höchstwahrscheinlich, ja.«
»Dir kann nichts passieren, Papa. Du bist stark.«
Er lächelte sie an.
»Danke, Emily. Danke, dass du mir das sagst.«
Er stand auf.
»Und jetzt machen wir uns erst mal was zu essen. Was hältst du von Rührei?«
ZWÖLF
E r war seit sieben Uhr morgens im Einsatz. Bisher war es ein normaler Arbeitstag gewesen, ein paar Betrunkene, einige Verkehrsunfälle, eine hilflose Person, die von einem öffentlichen Fernsprecher anrief und fragte, wie sie denn jetzt nach Hause finden würde.
Es war neun Uhr achtzehn, als Polizeidirektor Clemens den nächsten Anruf entgegennahm. Auf seinem Computer begann das Suchprogramm zu arbeiten, das ihm den Aufenthaltsort des Gesprächsteilnehmers auf dem Stadtplan anzeigen sollte.
»Notrufzentrale der Polizei«, meldete sich Clemens, drei Wörter, die er an die hunderttausend Mal am Tag aussprach.
Am anderen Ende der Leitung blieb es still. Vermutlich wieder falscher Alarm, dachte er.
»Hallo, bitte melden Sie sich.«
Jetzt machte er ein leises Atmen aus.
Das Computerprogramm wühlte sich noch immer durch die möglichen Anschlüsse, ein unterirdisches Netz in der Stadt, eine riesige Spinne in ihrer Höhle.
Plötzlich vernahm Clemens die Stimme eines jungen Mädchens.
»Ich habe Angst.«
»Sag mir deinen Namen.«
Wieder Atmen, Rauschen.
Es war eine unterdrückte Rufnummer, aber der Computer hatte sie längst entschlüsselt. Auf dem Monitor blinkte der Name auf: Ratiborstraße 29.
Clemens gab eine Tastenkombination ein, um das Haus genauer zu orten, Vorderhaus, Hinterhaus, Stockwerk, nichts entging dem Programm.
»Möchtest du einen Notfall melden?«
Clemens galt als sehr geduldiger Beamter, es gab Kollegen an den Funktischen neben ihm, die ganz anders reagierten.
Er hörte ein leises Schluchzen.
Und wieder: »Ich habe Angst.«
»Wovor? Wie heißt du? Was ist
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