Der Federmann
Mundwinkel.
»Lebt die Kleine noch?«, fragte er kaum hörbar.
Für einen Moment tauchten die Bilder der beiden Toten vor seinem inneren Auge auf, dann eine Vision von Lene Halldörfer, massakriert und mit kahlem Kopf, Schnittverletzungen am ganzen Körper. Und mit leeren Augenhöhlen. Er schluckte die Übelkeit hinunter. Nichts anmerken lassen, dachte er.
Er bemühte sich um einen neutralen Tonfall, als er sagte: »Sie ist süß, nicht wahr? Ganz anders als die beiden Frauen. Ich meine, die haben dir Stress gemacht, nicht wahr? Melanie Halldörfer und Coralie Schendel. Richtig Stress, oder? Du bist in Panik geraten. Irgendwas ist da gerissen. Ich werde das dem Staatsanwalt so erzählen. Dass du einfach ausgerastet bist, Moll.«
Er lehnte sich noch weiter vor.
»Ich kann das sogar ein bisschen nachvollziehen, Moll. Auch bei mir brennt manchmal eine Sicherung durch und dann –«
Er ließ seine Faust mit voller Wucht auf den Tisch donnern.
»Zack!«
Moll zuckte zurück.
Trojan nahm die Hand ganz vorsichtig wieder weg. Sofort war seine Stimme wieder sanft und schmeichelnd.
»Und hinterher tut es mir Leid.« Er machte eine Pause. »Zeig ein ganz klein wenig Reue und Einsicht, Moll«, sagte er halb flüsternd, »und Staatsanwalt Reuss wird beeindruckt sein. Du hast nämlich Glück, Moll, wenn sich Reuss deiner annimmt. Hat die meiste Erfahrung, ist schon etwas älter, nicht mehr so karrieregeil. Reuss ist ein Guter. Und ich werde ihm noch heute von unserem kleinen Vorgespräch berichten.«
Moll hob vorsichtig den Blick.
»Okay?«, fragte Trojan.
Er versuchte in den Augen zu lesen, sie waren wässrig, von kaum zu bestimmender Farbe, etwas Grau, etwas Blau.
»Lene Halldörfer«, flüsterte er. »Blond wie ihre Mutter. Du wolltest sie dir bis zum Schluss aufheben, nicht wahr?«
Moll schluckte.
»Sie hat dich gesehen, als du bei ihrer Mutter warst. Du bist zurückgekommen. Du hast sie dir geholt. Sie sollte nichts verraten von all dem, was du mit ihrer Mutter angestellt hast. Und sie ist noch viel süßer als ihre Mutter, stimmt‹s?«
Er legte seine Hand auf den Tisch.
»Sag es mir, Konrad, ich bin so eine Art Freund für dich, dafür bin ich eingestellt worden bei der Kripo. Ich bin so was wie der polizeiliche Seelsorger, weißt du. Ich bin der Bulle mit Herz, mir kannst du alles erzählen. Und glaub mir, so viele andere, die schon hier vor mir gesessen haben, waren hinterher unglaublich erleichtert, weil sie sich all diese grausamen Alpträume von der Seele geredet haben.«
Moll sah erst auf Trojans Hand, dann kurz in sein Gesicht. Schließlich rutschte er auf seinem Stuhl zurück und fiel noch mehr in sich zusammen.
»Sag es mir, Moll, sag es einfach, was hast du mit der Kleinen angestellt?«
Trojan spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterrann. Jede Minute war kostbar.
»Hör zu, für Mord gibt es lebenslänglich, das dürfte dir ja klar sein. Aber hierzulande hast du eine lebenslängliche Strafe nach fünfzehn Jahren abgesessen, Moll. Nur ist die Frage, ob der Richter eine anschließende Sicherheitsverwahrung anordnet.« Wieder setzte er eine Pause. »Du kannst hier Punkte sammeln, Moll. Dieses vertrauliche Vorgespräch kann über deine Zukunft entscheiden.«
Er wartete ab.
»Und es gibt eine Zukunft für dich, glaub mir.«
Moll rührte sich nicht.
Scheiße, dachte Trojan. Wahrscheinlich ist alles zu spät, die Kleine lebt nicht mehr.
Plötzlich murmelte Moll: »Es war freiwillig.«
Trojan traute zunächst seinen Ohren nicht. Ruhig bleiben, dachte er, jetzt packt er aus.
Er wartete, aber es kam nichts mehr.
»Was war freiwillig?«
»Sie ging mit mir mit.«
»Wann war das denn, Moll?«
Der andere hob den Kopf. Seine Stimme klang trotzig wie bei einem beleidigten Kind.
»Sie ist freiwillig mit mir gegangen. Von den anderen Namen weiß ich nichts. Nur aus dem Fernsehen. Sie hab ich auch im Fernsehen gesehen. Sie haben von den Frauenmorden gesprochen. Und man hat das Bild von der Kleinen gezeigt. Aber sie ist freiwillig mit mir gegangen.«
»Okay, Moll, mal ganz langsam von vorn. Wann bist du Lene Halldörfer das erste Mal begegnet?«
»Bei mir zu Hause. Sie hat sich in der Tür geirrt, wollte zu einem Kindergeburtstag. Ich hab ihr Kakao gemacht.«
»Kakao?«
Trojan war um seine Beherrschung bemüht. Gleich schlag ich ihm eine rein, dachte er, diesem miesen Stück Scheiße.
»Ja doch, Kakao.«
Moll warf ihm einen flehenden Blick zu.
»Weiter«, murmelte Trojan.
»Ein
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