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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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ging er zurück.
    Er stellte das Glas auf den Tisch und setzte sich.
    »Siehst du, mein Freund, ich kümmere mich um dich.«
    Moll blickte ihn schweigend an.
    »Du hast Glück gehabt«, sagte Trojan, »so freundlich behandeln wir nicht jeden hier. Trink einen Schluck, Moll, und dann erzählst du mir alles, okay?«
    Um den Mund des anderen zuckte ein kurzes Lächeln.
    Trojan war sofort wachsam. Was hatte dieses Lächeln zu bedeuten?
    Moll streckte die Hand nach dem Glas aus, doch dann zog er sie wieder zurück.
    Plötzlich fragte er leise: »Gibt es einen Menschen in Ihrem Leben, Herr Kommissar, den Sie wirklich aufrichtig lieben?«
    Trojan war überrascht.
    Was soll das denn jetzt, dachte er, fängst du Spielchen mit mir an?
    »Wie meinst du das?«
    »So wie ich es gesagt habe.«
    Trojan überlegte. Wenn er ihm jetzt entgegenhalten würde, dass sein Privatleben nichts mit der Sache zu tun hätte, könnte ihn das vielleicht am Reden hindern, also war es wohl am klügsten, sich auf seine Frage einzulassen.
    »Bestimmt gibt es diesen Menschen.«

    Unwillkürlich musste er an Jana Michels denken. Bin ich denn verrückt?, dachte er. Lieben? Ich kenne sie ja überhaupt nicht richtig.
    Dann stellte er sich vor, wie sie wohl mit dem Verdächtigen umgehen würde. Ihn fröstelte bei dem Gedanken.
    »Und wie sieht es bei dir aus?«, fragte er.
    Moll rührte sich lange Zeit nicht. Dann beugte er sich vor und sagte: »Diesen Menschen hat es einmal gegeben. Sie hieß Magda. Mit Magda war mein Leben voller Licht. Aber dann starb sie.«
    Trojan schluckte. Ein weiteres Mordopfer, durchfuhr es ihn.
    Als hätte er in seinen Gedanken gelesen, schüttelte Moll den Kopf.
    »Nein, Herr Kommissar, ich habe ihr nichts angetan. Weder meiner Magda noch der Kleinen, nach der Sie suchen. Das müssen Sie mir glauben.«
    Er schlug die Augen nieder.
    »Lene hat mir etwas von diesem Licht zurückgegeben.«
    Er griff nach dem Glas und schwenkte es sacht hin und her.
    »Nein, ich habe ihr nichts angetan. Sie müssen wissen, dass ich ein äußerst friedfertiger Mensch bin, Herr Kommissar. «
    Trojan musterte ihn. In seinem Hirn arbeitete es angestrengt. Worauf will er nur hinaus?, dachte er, seine Stimme klingt plötzlich ganz anders als zuvor. Etwas hatte sich darüber gelegt, als würde er durch ein Tuch hindurch sprechen.

    Und während Trojan noch überlegte, was er ihm erwidern sollte, war alles bereits zu spät.
    Moll warf ihm wieder dieses seltsame Lächeln zu und führte langsam das Glas an seine Lippen.
    Dann biss er zu.
    Einmal, zweimal.
    Trojan hörte das Glas splittern.
    Molls Gesicht verwandelte sich in eine hässliche Fratze. Das Blut quoll aus seinem Mund.
    Trojan sprang auf.
    Moll stopfte sich das Glas tiefer in den Mund, kaute, schluckte.
    Für einen Moment war Trojan wie erstarrt.
    Dann warf er sich auf ihn und schrie: »Spuck es aus, spuck es aus!«
    Doch aus Molls Kehle kam nur ein Röcheln.
    Die Eisentür wurde aufgestoßen, und Stefanie Dachs stürzte herein, hinter ihr erschienen Landsberg und Gerber.
    Moll sank von seinem Stuhl.
    Trojan versuchte, ihm das Glas zu entreißen.
    »Ruft einen Notarzt, schnell!«, rief er.
    Dachs, Landsberg und Gerber starrten auf Moll hinab.
    »Nun macht schon«, stammelte Trojan.
    Molls Augen verdrehten sich nach innen, doch seine Kiefer malmten einfach weiter.
    Das Glas knirschte unter seinen Zähnen.

VIERZEHN
    E s war schon fast Mitternacht, aber bei Cem war eigentlich immer geöffnet.
    Trojan nahm sich drei Bierflaschen aus dem hell erleuchteten Getränkekühlschrank und ging an die Kasse.
    »Was ist los, Chef?«, fragte Cem. »Du siehst blass aus.«
    Trojan kramte schweigend das Kleingeld hervor.
    »So schlimm?«
    Er nickte nur.
    »Kopf hoch. Weißt du, egal was passiert: Irgendwann danach scheint wieder die Sonne. Denk einfach dran, Chef, denk an die Sonne.«
    Trojan sah ihn nur an.
    Cem hob die Augenbrauen.
    »Willst du reden? Bin ein guter Zuhörer.«
    Er versuchte zu lächeln.
    »Danke, Cem, vielleicht ein andermal, okay?«
    »Kein Problem, Chef. Ich bin hier. Bin immer hier.«
    Er steckte die Flaschen in den Rucksack und verließ den Laden.
    Kaum war er in der Wohnung, öffnete er das erste Bier.
    Er trank es halb leer, dann warf er sich erschöpft auf Emilys Bett. Er schloss die Augen, sofort flackerten die Bilder vor ihm auf, Molls blutige Fratze, die leere Wohnung in
der Ratiborstraße, die Maden in dem verwesten Vogel, die Mädchenunterhose mit den Herzchen. Und immer wieder die

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