Der Feigling im Dunkeln (German Edition)
mit hochgekrempelten Hosenbeinen durch die Wogen
watete und sich langsam daran gewöhnte nicht zu schlafen, obwohl
das Licht der aufgehenden Sonne schon jetzt gleißend erschien
und sie erst recht verführte die Augen nur für einen Moment
zu schließen.
Es
brauchte noch einige Stunden und einige Runden durch das knöcheltiefe
Wasser, bis die Vorteile des Tages sich ihr offenbarten.
Hier
am Meer war ein jeder Morgen tausendmal kälter als die Nacht,
dichte Nebel trugen die Kälte in jede Zelle ihres Körpers
und ließen sie beinahe erstarren. Trotzig setzte sie dennoch
einen Fuß vor den anderen, versuchte das Gefühl
abzuschütteln. Wenn Menschen das schafften, warum dann keine
Ilfe? Der Nebel war gleißend genug, doch nachdem sie sich an
ihn gewöhnt hatte stellten auch die ersten wahren Sonnenstrahlen
ihres Lebens kein wahres Problem mehr da. Zaghaft bohrte sich das
Licht durch den Nebel, verteilte ihn immer weiter, bis er schließlich
aufgab und über das Meer hin entfloh. Mit der Sonne kam auch
Wärme in ihre Welt und während sie noch immer ihre Runden
drehte, um nicht einzufrieren, stellte sie fest, dass sich eine warme
Schicht auf ihre Haut gelegt hatte. Ilfen kannten Wärme nur von
unten. Erdwärme, die träge den Turm empor kroch. Dies hier
war anders. Das war konzentrierte Wärme, viel erfüllender
und erstrebenswerter als die dunkle Hitze unten im Turm.
Als
Yre damit fertig war diese neuen körperlichen Eindrücke zu
erforschen begann sie mit den optischen, der Welt im Licht des Tages.
All
die Farben, die so viel heller und leuchtender waren, als unter dem
Schleier der Nacht. Selbst der Ascheteppich, der ihr den Blick in den
Himmel verwehrte, hatte seine eigenen Farben und Strömungen,
goldene Sonnenstrahlen ließen die dicken Wolken von innen
erglühen und sachter Wind kreirte kleine Wirbel und ließ
gelegentlich Goldstaub von oben herab rieseln.
An
diesem Morgen entschied sich Yre, als einzige Ilfe, die je einen
Sonnenaufgang erlebt hatte, dass es kein Zurück gab.
Nie
wieder würde sie einen Fuß in einen Ilfenturm setzen, ob
Xan oder Ygrun, ihren eigenen, nie wieder.
Das
Gefühl von Verrat und Vorenthaltung schmeckte bitter, doch die
Sonne verwandelte auch diese schlechten Dinge in gute, gab ihr Kraft. Nie
wieder ,
sagte sie sich.
* * * * *
Wir
machen eine Reise in ein weit entferntes Land zu einer weit
entfernten Zeit. Der Tag, den wir erleben werden, ist von höchster
Bedeutsamkeit und eine großartige Person wird hier zum ersten
mal sein wahres Gesicht offenbaren und für immer in die
Geschichte eingehen als Symbol der Arroganz verlorener Jahrhunderte.
Sechs
- Die Wüste und das Feuer.
Das
Land des Herrschers Zir Cyron war Sand und Wind. Im Süden des
Landes, direkt nördlich von den Obsidianbergen des Südkap
gelegen.
Das
Volk der Kristallwüste war stolz. Ihr Gang, ihr Ritt und selbst
wenn sie nur standen oder saßen strahlte selbst der niederste
Bettler eine Zuversicht und Überlegenheit aus, wie kein anderes
Volk dieser Welt es vermochte.
Ihre
glänzend schwarzen Haare trugen sie meist lang, besonders unter
Männern waren kurze Haare ein Zeichen niederen Standes.
Ihr
Herrscher Zir Cyron war mit seinen hüftlangen, tiefschwarz
glänzenden Haaren und der olivgrünen, blassen Haut der
Inbegriff eines Wüstenkönigs und wurde von seinem Volk oft
als Sonne am Nachthimmel voller Sterne bezeichnet.
Ein
Bild von Macht und Wohlstand. Sein Gesicht glich in seinen Grundzügen
dem seiner Leute, scharfe Linien und hohe Wangenknochen verliehen ihm
eine majestätische Eleganz. Die gelbgrünen Habichtsaugen
blickten wach unter müden Lidern hervor und seine fein
definierten Augenbrauen schienen stets angehoben zu sein. Die
schmale, hakenförmige Nase war ein Merkmal seiner Familie und
gab ihm das zusätzliche bisschen Adel, eine Majestät, wie
sie im Buche stand.
Seine
Burg saß am Rande seiner Hauptstadt und war wie die gesamte
Stadt ganz und gar aus schwarzem Stein erbaut, den das Volk mühsam
von den Bergen abgetragen hatte.
Jedes
Wohnhaus war ein kleiner Palast für sich und selbst wenn es nur
ein Zimmer hatte, das sich eine Großfamilie teilen musste, so
wurde trotzdem nicht auf Zinnen und einen eigenen Glockenturm mit der
sogenannten Familienglocke verzichtet.
Der
Boden im Wohnraum war von bunten Teppichen bedeckt. Seide oder Wolle,
je nachdem wie viel sich die Familie leisten konnte.
Türkis
fand man allerdings nur im Palast, in der Burg der Cyrons.
Der
Himmel über dem weißen
Weitere Kostenlose Bücher