Der Feigling im Dunkeln (German Edition)
Wimmeltieren, die sie nie gekannt hatte. Verzückt
nahm sie eine handvoll Erde und ließ ihn sich durch die Finger
gleiten, rotgoldener Sand und braune, trockene Erde vermischt mit
grauer Asche, die leicht aufstaubte. Auf einmal bekam Yre
unglaubliche Angst. Diese Welt war unglaublich riesig. Wie sollte sie
jemals alles sehen und verstehen können? Sie konnte ja kaum
blind durch die Gegend laufen und nur das betrachten, was vielleicht
wichtig sein könnte?
Der
Sand lockte sie, doch sie zog es vor ihn später weiter zu
untersuchen.
Erst
einmal musste sie weg, bevor sie ihr Verschwinden bemerkten und ihr
möglicherweise folgten.
Sie
entschied sich nach Süden zu wandern. Dort vermutete sie das
größte Potential für Entdeckungen. Aber erst gab es
eine Sache die sie sehen musste: Das Meer.
Sie
entschied sich für den Mittelweg und die Befriedigung einer
weiteren Neugierde von sich: Der Turm Xan lag an der Ostküste,
ein gutes Stück südlich von ihrer jetzigen Position.
Als
ihr Vater ihr die Lichtsprache gelehrt hatte, hatte sie sich oft
gefragt, ob die anderen Türme wohl wirklich existieren, alles
was sie von ihnen je gesehen hatte waren Lichtblitze.
Manchmal
stellte sie sich vor, wie irgendwo ein verirrtes Feuer all die
Nachrichten sandte. Vielleicht auch Menschen, die sich selber
Spiegelgläser gebaut hatten, immerhin hatte sie gehört, wie
vernarrt einige von ihnen in ihr eigenes Spiegelbild waren.
Es
war ein weiter Weg bis nach Xan. Die Koordinaten waren kein Problem,
die Sterne waren ihr Metier. Sie hatte zwar nicht wirklich viel Zeit
mit dem Lernen all der Sternbilder und ihrer Deutung verbracht, aber
den Himmel kannte sie dennoch wie einen alten Freund.
Von
hier unten sah er schlammig violett aus, wie durch einen Filter.
"Nicht
wie durch einen Filter...", korrigierte sie sich. Von oben hatte
sie die Erde kaum erkennen können vor lauter Staub und Asche in
der Luft.
Kein
Wunder, dass die Menschen hier verrückt geworden waren, wenn sie
den Himmel nicht sahen.
Sie
wanderte schon seit Wochen in die Richtung, die die Sterne ihr
wiesen.
Anfangs
hatte sie oft Pause machen müssen, ihr Körper war die
Strapazen langer Wanderungen nicht gewohnt. Die Pausen ließen
ihr Zeit sich mit den simplen Dingen vertraut zu machen, die ihr alle
noch so fremd waren. Sie sah Sand und Erde, und wie die Erde anders
wurde, wenn man in ihr grub. Einmal rastete sie neben einem Tümpel,
der graugelb vor Asche und Schlamm war.
Das
Wasser trank sie trotzdem, ihr blieb auch kaum eine Wahl. Ihr
Wasserschlauch war auch beinahe leer gewesen.
Im
Teich entdeckte sie viele Dinge, die der Brunnen mit dem klaren
Wasser ihr nie hätte beibringen können.
Das
war einer der angenehmeren Rastplätze gewesen, mit gekühlten
Füßen und aufgefülltem Wasserschlauch und all dem.
Menschen
hatte sie nach all der Zeit noch immer keine getroffen.
So
langsam war sich die kleine Ilfe nicht mehr sicher, ob das nun gut
oder schlecht war.
Es
war nicht so, dass sie ihre Suche nach Wissen aufgeben wollte, doch
eigentlich waren es ja die Menschen, die sie am meisten sehen wollte.
Zum
Lernen der Lichtsprache gehörte auch das Abschätzen und
Miteinbeziehen von Entfernungen, und die Sterne sagten ihr, dass sie
dem Turm Xan schon nah sein musste. Wenige Tagesmärsche
vielleicht?
Dann
erreichte sie das Meer.
Schon
von weitem hörte sie das Rauschen und roch das Salz in der Luft.
Also, sie roch etwas in der Luft, einen Namen hatte sie nicht dafür.
Also beschloss sie es roch nach Meer, was ja auch durchaus zutreffend
war.
Als
sie die graurosa Masse sah, wie sie hin und her schwemmte und sich
warf und wand. Mit all ihren weißen Krönchen und
spritzender Gischt, da fühlte sie sich wieder wie ein Kind, dass
das erste mal einen Blick auf die Aussichtsplattform werfen durfte.
Ein riesenhaftes Ding, das lebte und atmete und blubberte und sie
hatte es all die Jahre nicht gekannt. Meer, das ist Wasser.
Wie
im Himmel hatten sie ihr eine solche Lüge erzählen und es
Wissen nennen können?
Mit
jedem klammen Sandkorn, dass an ihren Zehen haften blieb wuchs ihr
Unverständnis ob der Ignoranz ihres Volkes.
Sie
blieb lange am Strand. Drei Tage, oder vier. Hier war es auch, dass
sie ihre Tage von der Dunkelheit ins Licht verlegte.
Sie
wusste ja, dass dies die Art der Menschen war. Wenn sie also welche
treffen wollte, musste sie wohl mal sehen, dass sie sich anpasste.
Ihr
Verlangen die Ilfen von Xan kennen zu lernen schwand zusehends, als
sie gemächlich
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