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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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dem Alten vielleicht, aber sie wollte nicht mehr, sie kam sich
lächerlich vor und albern. Warten mußte sie, nur abwarten. Gerade das lag ihr
so wenig.
    Sie trank ein Glas mit Kognak zum
dritten Male aus. Es war sehr voll gewesen, die beiden ersten auch. Die Unruhe
blieb, aber man wurde etwas verwegener, und das Blut strömte rascher.
    Natürlich! Das war eine Idee.
    Sie war schon auf der Straße, als sie
überlegte.
    Wer konnte in der Kneipe sein? Der
Wirt, Zahmeis, wenn sie Glück hatte der Alte. Ein paar Leute nur, man konnte
mit ihnen sprechen, etwas erfahren.
    Das Transparent mit der Biermarke war
ein Kern von trübem Licht in der Dunkelheit. Das große Fenster war matt
erleuchtet, der schmutzige Vorhang hielt das Licht zurück. Sie öffnete die Tür.
    Der eiskalte Blick des Wirtes kam von
der Theke her. Eine Stimme quäkte: »Fritz! Wer wagt es, unseren Frieden zu
stören! Wirf ihn den Geiern zum Fraß vor!«
    Zahmeis saß an seinem gewohnten Platz.
Er hob die Augen, zog die Stirn kraus. Seine winzigen Fäuste fuchtelten. »Haha!
Kleopatra im Regenmantel! Ich lebe 2000 Jahre zu spät! Willkommen! Fritz, gib
ihr ‘n Bier!«
    »Guten Abend, Herr Zahmeis.« Sie wußte
nicht, wo sie sich hinsetzen sollte. Aus dem Mantel half ihr niemand, wer
sollte auch.
    Sie hing ihn an den Ständer, der neben
dem Spielautomaten stand. Eigentlich wollte sie an die Theke gehen. Aber die
Brillengläser machten ihr Angst. Sie setzte sich an den Tisch zu Zahmeis.
    Neben ihr knarrte die Stimme des
Wirtes. »Wo is’n der junge Herr?«
    Sie versuchte, erstaunt auszusehen.
»Wer bitte?«
    »Der wo am letzten Male so forsch war.
So kräftig.«
    »Keine Ahnung. Wo ist bitte Herr Hase?«
    Das Bier wurde neben sie geschoben, ohne
jede Verbindlichkeit. Friedrich war schon wieder weg. Zahmeis versuchte, nach
seinem Glas zu greifen. Er warf es in einem kühnen Bogen um. Das Bier floß in
einem Schwall über Barbaras Kleid.
    Barbara holte kurz aus. Sie überlegte
es sich und hielt inne.
    »Um Gottes willen! Fritz! Einen
Schwamm! Ich habe sie benetzt!«
    »Das Kleid ist imprägniert«, sagte
Barbara. Es gelang ihr nicht, wütend zu werden.
    »Imprägniert! Wunderbar!« Zahmeis
schwenkte das leere Glas. »Ein Kleid aus Batist! Meine Unterhosen sollten Sie
sehen! Haha! Schießbaumwolle! Ein Funken und sie detonieren! Achtzig
Megatonnen! Ein einziger Funken! Fritz! Gib ihr ein neues Bier! Und eine neues
Kleid!«
    Der Wirt kam zurück. Er brachte neues
Bier und fuhr mit einem Lappen über die Tischplatte. Trocken wurde sie nicht.
Barbara lächelte in seine Brillengläser. »Herr Wuck — was macht Herr Hase?«
    »Das ist mir scheißwurscht«, sagt der
Wirt.
    »Aber mir nicht.« Sie machte ihre
Trotzunterlippe. »Ich weiß auch, was er tut. Er macht einen Ausflug.«
    Zahmeis drehte den Kopf. Seine Augen
waren ohne Verständnis. »Ausflug? Was für einen Ausflug?«
    »Ja. Jakob hat es mir erzählt. Ich
wollte ihn zu mir einladen für heute abend. Da hat er von der Herrenpartie
erzählt. Ich habe gedacht, er schwindelt — deswegen frage ich.«
    Zahmeis glotzte den Wirt an. »Hast du
es gewußt?«
    Wuck nickte.
    »Ha! Warum hat man mir nichts gesagt!
Verräter! Mich nicht mitzunehmen! Mich, den Kaiser! Werde sie alle füsilieren
lassen! Beim Morgengrauen!«
    »Geh, red nicht!« Der Wirt sah mit
erheblicher Verachtung auf den Kaiser hinunter. »Dich hätten sie doch nur mit
der Feuerwehr von einer Kneipe zur anderen transportieren müssen!«
    »Na und?« Zahmeis schien nichts dabei
zu finden. »Früher bin ich in einer Sänfte getragen worden! Diese Schurken!
Deserteure!«
    »Machen Sie sich nichts daraus,
Majestät.« Barbara strahlte ihn an. »Doktor Meise hat auch nichts gewußt. Ich
hab’ ihn angerufen gestern — wegen einer anderen Sache —, sie haben ihn auch
nicht mitgenommen.«
    »Was sollen sie auch mit dem alten
Knacker«, sagte der Wirt. Er ging zur Theke zurück.
    »Richtig! Der Kalk rieselt ihm aus der
Hose! Kann sich kaum halten auf seinen wackligen Ständern!«
    Zahmeis stand auf. Es zeigte sich, daß
er nicht besser auf den Beinen war. Er taumelte hinaus. Das Futter seiner rechten
Hosentasche hing nach außen. Die Tür zur Toilette knallte hinter ihm zu.
    »Herr Wuck«, fragte Barbara. »Wo sind
die denn hingefahren?«
    Er stand mit dem Rücken zu ihr und
hantierte am Regal mit den Gläsern. Er wandte sich nicht um. »Keine Ahnung.
Weit wird’s nicht sein. Endet eh’ im Wirtshaus.«
    Es polterte. Herr Zahmeis kam zurück.
»Fritz!

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