Der Feigling
zwei Uhr gemeldet. Sie brauchen die dunkelste Stunde. Die
Maschine hören wir wahrscheinlich, wenn wir uns Mühe geben. Alles andere ist
klar. Erledigen, abhauen. Zurück hierher. Wer mit wem fährt, ist gleichgültig.
Hat jeder seine Wagenschlüssel?«
Sie nickten. Hase fingerte noch einmal
in seiner Tasche.
»Schön. In der Stadt verkrümeln wir
uns, jeder in seinen Wigwam. Jeder meldet sich selber beim Meister per Telefon.
Wer nicht rauskommt nachher, kann sich nicht mehr melden.«
Er schwieg einen Augenblick. Seine
Zigarre glühte auf. Die anderen sagten nichts.
»Einer muß rauskommen«, fuhr Schulz
fort. »Sonst weiß der Chef nicht, was los ist. Deswegen gehen wir ganz auf
Nummer Sicher. Füchslein, du bleibst nachher am Waldrand sitzen, wie das nach
dir benannte Tier. Reineke der Zweite. Kann passieren, daß die falschen Leute
wieder rauskommen. Kapiert?«
»Si, si, Onkel Walter.«
»Vermutlich siehst du sie eher als wir.
Vielleicht graben sie ihre Schirme ein, vielleicht nicht. Auf jeden Fall müssen
sie erst ins Haus rein. Fang nicht vorher an herumzuballern. Dann haben wir mit
Lichtgeschwindigkeit die ganze Gegend auf dem Hals.«
»Ick reiß mir am Riemen.«
»Schön.« Schulz drückte seine Zigarre
am Aschenbecher aus. »Dann wollen wir mit dem Schweigemarsch beginnen. Und wenn
wir Glück haben wie in früheren Zeiten, lehnen wir am Sonnabend vereint an
Friedrichs Theke.«
»Oh!« Jakob Hase stöhnte leise.
»Erinnere mich nicht daran! Wenn Licht wäre, würdet ihr sehen, wie ich leide!‹‹
»Net wahr!« Carls drehte sich, klopfte
auf seine Schulter.
»Es ist ungewohnt, vorübergehend
nüchtern zu sein! Tröste dich. Bald bist du wieder im süßen Dauerrausch!«
»Das walte Gott, Frau
Wehrkreispfarrer.« Schulz öffnete die Tür. »Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd,
aufs Pferd! Ich reite voran!«
Sie stiegen aus. Schulz schirmte seine
Taschenlampe mit der Hand ab. Sie leuchtete rötlich durch das Blut der Finger.
Er schloß den Wagen zu. Hintereinander gingen sie auf die Mauer der Bäume zu,
fast lautlos, eine Kette von Gespenstern.
Schulz sah in dem schwarzen Wald so gut
wie vorher auf dem Weg. Er brauchte die Lampe kaum. Es war eine totale,
ungeheure Finsternis um sie, als hätte es nie Licht auf der Erde gegeben. Sie
tasteten mit den Händen nach dem Vordermann, hörten ihn atmen. Zweige kratzten
an den Händen und im Gesicht. Es war gut, nicht allein zu sein. Die anderen
waren dabei. Das Gefühl, sich auf sie verlassen zu können, half durch den
verdammten Wald und hielt die Furcht vor dem Ungewissen fern.
Merkwürdige Geräusche kamen aus dem
Wald. Nachtgeister, Vögel oder andere Viecher, der Henker mochte es wissen. Der
Nadelboden war glatt, manchmal rutschte einer und stolperte, aber keiner
fluchte.
Plötzlich lichtete sich der Wald. Die
Stämme standen weiter auseinander, man kam leichter durch, brauchte nicht mehr
so viel auszuweichen und in Schlangenlinien zu gehen. Noch wurde es nicht
heller. Nur der Harzgeruch ließ nach, die drohenden Stämme waren nicht mehr so
dicht am Körper, bis sie ganz zurückblieben und es nach Gras zu riechen begann.
Der Wald war zu Ende.
Schulz blieb stehen. Sie traten neben
ihn.
Jetzt war die Dunkelheit weniger dicht.
Der Himmel war zu ahnen, ein ungewisses, ganz schwaches Leuchten über ihnen.
Ihre Augen waren dankbar für das bißchen Licht. Und nun sahen sie auch das
Haus.
Inmitten der freien Fläche, die von
allen Seiten vom drängenden Hochwald eingeschlossen war, stand es als schwarze
Schattenburg. Es wirkte größer als bei Tag. Nichts war zu erkennen, keine
Fensterläden, keine Tür, nur Mauern, die mit der Finsternis fast verschmolzen.
Der Giebel ragte als kleines, dunkles Dreieck gegen den Nachthimmel.
Sie kannten das Haus. Sie hatten es
sich angesehen auf einem früheren Ausflug, harmlose Wanderer mit Bierflaschen
im Rucksack. Irgendein Ausländer, den nie jemand gesehen hatte, war der Mieter.
Die Zentrale kannte das Haus, der Meister kannte es und der Feind.
Schulz faßte nach der Schulter von
Fuchs. Er bohrte den Finger zweimal gegen den Erdboden. Der kleine Fuchs
nickte. Der Schatten des Bodens verschluckte ihn, er war fort. Ein paar Meter
zurück, neben einem mächtigen Stamm, blieb er liegen.
Die drei gingen weiter. Das Gras ließ
keinen Laut eines Schrittes mehr durch. Schulz hatte die Lampe in der Tasche. Er
brauchte sie nicht mehr.
Das Haus rückte näher.
Sie sahen helle, geschlossene Läden vor
den Fenstern. Die
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