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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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noch immer Mittwoch geworden.
Drei Tage. Dann gehen wir zum Chinesen und trinken Reisschnaps, und ich erzähle
dir, wer wieviel gesoffen hat und wo er hineingefallen ist.«
    »Mittwoch abend?«
    »Mittwoch abend.«
    Sie hob sich auf die Zehenspitzen,
küßte ihn auf die Stirn.
    »Hm! Wie das duftet!«
    »Den Rest esse ich morgen zum
Frühstück«, sagte er. »Viel zu schade als Pflaster.«
    »Denkst du dabei an mich?«
    »Ununterbrochen.«
    Er hielt die Tür auf. Als Barbara vor
dem Fahrstuhl stand, sah er hinaus zu ihr. »Bärbelchen... was ist mit Jens?«
    »Nichts ist. Es hat ihn nie gegeben.«
    Er nickte, lächelte, freute sich,
schloß die Tür.
    Sie war bald zu Hause und schlief, vier
Kilometer von dem Feigling entfernt, und hatte ein paarmal Angst um ihn im
Traum.
    Am Vormittag ging sie zur Universität,
aber sie dachte viel nach und hörte wenig von dem, was erzählt wurde. Als sie
den Hörsaal verließ, kam ihr ein Einfall. In einem der hinteren Flure waren
Telefonzellen. Die Nummer fand sie schnell wieder. Nach einer Weile meldete
sich die Stimme, schwach, aber unverkennbar.
    »Barbara Thomann«, sagte sie. »Guten
Tag, Herr Doktor Meise!«
    »Ach, mein Kind!« Es klang, als wäre er
ungeheuer selig.
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Besser. Viel besser. Die Götter
brauchen mich noch, hier unten.«
    »Das ist aber nett von den Göttern«,
sagte sie. »Herr Doktor... wenn ich Sie gestört habe, tut es mir leid...«
    »Sie stören mich nie!«
    »Ich wollte nur sagen... ich glaube, es
ist soweit.«
    Nach einer kleinen Pause fragte er:
»Was, mein Kind?«
    »Der Ausflug.«
    Die nächste Pause war länger. »Ach.
Sind Sie sicher?«
    »Ich war gestern abend noch bei Jakob.
Er hat es mir erzählt.«
    »Das war lieb von Ihnen! So lieb! Wann soll
es denn
    sein?«
    »Morgen.«
    »Morgen schon! Da bin ich aber traurig!
Da werde ich nicht mitkommen können. Ich wäre nur eine Last für sie, nur eine
Last. Hat er gesagt, wo sie hinfahren?«
    »Nein. Es würde erst ausgemacht. Sie
wollen die Himmelfahrt nachholen.«
    Ein Student mit kühnem Haarschnitt
blickte ungeduldig ins Innere der Zelle.
    Barbara wartete.
    »Himmelfahrt!« Der Alte sang wie ein
Pfarrer in der Kirche. »Ein bezauberndes Wort! Ich sehe sie deutlich vor mir,
wie sie es nachholen!«
    Sie hatte keine Lust, seine
Begeisterung längere Zeit anzuhören. »Herr Doktor... ich bin hier in einer
Zelle, muß Schluß machen... glauben Sie, daß man... daß man Angst haben muß?«
    »Aber nicht doch! Denken Sie nicht mehr
an mein dummes Gerede! Was sollen wir uns beunruhigen! Am Sonnabend sehen wir
uns alle wieder, und dann wird gefeiert! Kommen Sie auch?«
    »Ich komme«, sagte Barbara hastig.
»Recht vielen Dank, Herr Doktor! Gute Besserung!«
    »Ich danke Ihnen, mein Kind! Vielen,
vielen Dank, daß Sie mir Bescheid gesagt haben! Die hätten glatt vergessen, es
mir zu sagen! Es ist das Los des Alters, vergessen zu werden; auf Wiedersehen,
auf Wiedersehen!«
    Barbara verabschiedete sich und hängte
ein. Der Ungeduldige blickte sie grimmig und durchdringend an. Sie lächelte und
ging weg.
    Die Worte des Doktors hatten sie
beruhigt. Es war wirklich alles Unsinn. Gut, daß sie angerufen hatte.
    So dachte Barbara und wußte nicht, daß
das ihr letztes Gespräch mit Doktor Meise gewesen war.
     
     
     

VIII
     
    Die Männer hockten auf der niedrigen
Bank, dicht aneinandergedrängt. Es war alles wie ein schlechter Film, der kahle
Bauch der Militärmaschine, mattes bläuliches Licht von wenigen Lampen und von
der Kanzel der Piloten her, die unförmigen Pakete der Fallschirme über den
Kombinationen, aber es störte sie nicht, sie hatten es oft mitgemacht, sie
waren gleichmütig. Die Motoren dröhnten und vibrierten, das Geräusch bohrte
sich ins Gehirn, es war fast beruhigend und vertrieb die eigenen Gedanken.
    Karel sah friedlich aus. Er war der
Führer der Gruppe, er hatte viel getan für sein Land, und die Arbeit machte ihm
Freude. Nur das Gesicht paßte nicht dazu, aber es war das Gegenteil seines
Wesens, eine Tarnkappe, die oft geholfen hatte. Er trug ein schwarzes,
zweigeteiltes Bärtchen auf der Oberlippe, und seine braunen Augen in dem gelben
Oval des Gesichtes waren voll heiterer Resignation, als könnten sie jeglichen
Ärger voraussehen und wären überzeugt von irgendeinem Sieg. Auf der Karlsbader
Promenade hätte er flanieren können oder auf dem Kärtner Ring, ein friedlicher
pensionierter k. u. k. Rittmeister auf dem Weg zu einem Kaffeehaus, mit nichts
anderem

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