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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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im Sinn als seiner Zeitung und der Partie Billard mit einem Freund.
    Stefan, der Mann rechts neben ihm,
konnte man den Beruf eher ansehen. Auch er war schwarz, mit einem wilden
Zigeunergesicht, er war Partisan gewesen und war es noch heute, aber in Europa
liefen viele solcher Leute umher, wer konnte noch sagen, was der einzelne tat?
    Links von Karel saß Klement. Er hielt
die Augen geschlossen. Auch er sah harmlos aus, er war kleiner und fetter als
die anderen, und der Fallschirmsack machte ihn zu einer gemütlichen,
gurkenförmigen Gestalt. Er hatte kleine Augen und Borstenhaar, seine Lippen
spitzten sich immer, wenn er sprach. Aber das kam selten vor, er döste, er
lächelte, eine Zweitausgabe des braven Soldaten Schwejk. Nur wer ihn genauer
kannte, konnte den Irrtum ermessen. Manche hatten davon erfahren, aber sie
würden nichts mehr erzählen. Er war der Typ des Geheimagenten, den nichts
schreckte und nichts berührte, der Kindern Märchen erzählen und zwischen Toten
ruhig schlafen konnte.
    Karel faßte die beiden neben sich im
Genick. Er sprach so, daß seine Stimme gerade noch verständlich war im Singen
der Motoren. Er zog ihre Köpfe zu sich heran. »Es werden ein paar Leute kommen,
die nicht eingeladen sind«, sagte er. »Sie waren so nett, uns zu verständigen.
Deswegen die Eile. Ich hoffe, der hastige Aufbruch hat euch nichts geschadet.«
    Sie schwiegen. Es gab nichts, was ihnen
schaden konnte, außer einer Kugel im Herzen.
    »Wir sind somit...« Karel gebrauchte
gern das Wort somit »... eine Nacht früher da als geplant. Das Quartier steht
bereit. Die Besucher werden erst morgen kommen nach unseren Informationen, und
sie werden denken, sie seien vor uns da. Wie günstig! Man hat etwas Zeit, sich um
alles zu kümmern.«
    »Warum verkrümeln wir uns nicht
gleich?« fragte Stefan. Er haßte die gewählte Ausdrucksweise.
    »Es ist eine wunderbare Gelegenheit,
einige von ihnen auszuschalten. Die schnüffeln dann schon mal nicht hinter uns
her. Sie werden staunen, wenn sie merken, daß die Pension besetzt ist.
Hinterher verschwinden wir. Alles übrige bleibt wie geplant. Hat jemand noch
eine Frage? Wir werden bald aussteigen müssen.«
    »Warum wissen die überhaupt, daß wir
kommen?« fragte Klement. Seine Augen öffneten sich kaum. Karel strich über
seinen Schnurrbart.
    »Warum? Das ist leider so in diesem
häßlichen Beruf, mein Lieber. Überall Verräter. Du kannst zwanzig Jahre mit
deinem besten Freund arbeiten, und auf einmal wird er erschossen. Weil sich
herausgestellt hat, daß er seit zehn Jahren für die Gegenseite beschäftigt war.
Was für eine Enttäuschung. Du weißt es doch, Klement.«
    Der andere nickte.
    »Wir haben noch Glück, daß auch bei
ihnen unzuverlässige Elemente sitzen... sonst wären wir ihnen morgen vor die
Kanone gelaufen wie die Zinnsoldaten.« Sein verbindliches Gesicht wurde
plötzlich hart, unbarmherzig. »Jetzt wird es umgekehrt sein. Freust du dich,
Klement?«
    Klement nickte langsam, mit
geschlossenen Augen.
    Dann öffnete sich die Tür zur Kanzel
ganz. Sie blickten auf. Der Funker sah sie an. Er deutete auf seine Armbanduhr,
hob zwei Finger der rechten Hand. Karel nickte. Der Funker verschwand. Sie
standen auf.
    Nebeneinander traten sie vor die
Schiebetür. Karel als erster. Die eiserne Platte glitt zur Seite. Ein pressender
Luftstrom fauchte herein, zerrte an den Gesichtern.
    »Zieht nicht zu früh!« schrie Karel
durch den brüllenden Lärm.
    »Wir sind ziemlich hoch. Und paßt auf
vor dem Sammeln! Unten treiben sich Jäger und Grenzer herum!«
    Die anderen nickten. Neben der Tür
flammte ein rotes Licht auf. Klein und grell, alle zwei Sekunden. Die Männer
starrten darauf mit verkniffenen Augen. Es blinkte endlos, gefühllos, in
grausamem Gleichmaß.
    Dann blinkte es grün.
    Karel fiel als erster. Die beiden
anderen folgten, jeder mit vier Sekunden Abstand. Die Maschine über ihnen zog
eine weite Schleife. Drei Körper wirbelten durch grenzenloses Dunkel und
ungeheure Einsamkeit
     
    *
     
    Barbara hatte Furcht.
    Sie war fort gewesen, verschwunden,
aber jetzt war sie wiedergekommen und wich nicht mehr.
    Es war halb neun. Dienstag abend. Sie
hatte den Greis noch anrufen wollen am Nachmittag. Nichts. Niemand hatte sich
gemeldet.
    Er war nicht mehr da.
    Sie saß in ihrem Zimmer, die Lampe
brannte auf dem Schreibtisch, sie hatte versucht zu lesen. Es ging nicht.
Rauchen half nicht, Kognak hatte sie getrunken. Nichts half.
    Sie konnte mit niemandem darüber
sprechen. Mit

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