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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Sie konnten das Bild nicht sehen, und Tom bat den Barkeeper, den Ton leiser zu stellen. Das kühle Bier schmeckte herrlich, John leerte die Flasche mit drei Schlucken und bestellte noch eine. Dann klappte er sein Handy auf und rief zu Hause an. Er mochte die Bar mit ihrem Kunstleder, ihren kleinen Sitzecken und den großen, schönen Fotos von der mit Blumen übersäten Wüste, ein seltener Anblick. Sie waren in Kalifornien, es herrschte Rauchverbot, sogar in den Bars, und die Luft war kühl und sauber.
    »Alles in Ordnung?« fragte er Anna, als er ihr melodisches, aber doch etwas nervöses und vorsichtiges hello vernahm.
    »Ja, alles in Ordnung. Wo bist du?«
    »Im Lodge.«
    »Schrecklich, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Kommst du bald nach Hause?«
    »Dauert nicht mehr lange.«
    »Fein.«
    »Ich liebe dich.«
    »Ich dich auch.«
    »Wie süß«, sagte Tom mit einem Anflug seines alten Sarkasmus. Er hatte sich wieder ein bißchen beruhigt. Vielleicht, weil sie die Bilder nicht mehr vor Augen hatten. Er erklärte mit seiner schleppenden, langsamen Stimme, was geschehen war. Aber in Wirklichkeit hatte keiner die geringste Ahnung, worum es hier eigentlich ging. Das ganze Land schien von Verwirrung, Trauer und Unverständnis ergriffen. Daß so etwas die USA treffen konnte! Daß die einzige Supermacht der Welt sich als ebenso wehrlos erweisen mußte wie irgendeine blöde Bananenrepublik! Daß bei diesem Angriff aus dem Nichts stinknormale Passagiermaschinen als Marschflugkörper verwendet wurden, und das ausgerechnet gegen die Symbole der amerikanischen Militär- und Wirtschaftsmacht! Und daß keine Sau verhindern konnte, daß es womöglich noch einmal passierte! Aber Amerikas Arm war lang, und die Schuldigen würden wie Tiere gejagt und niedergerungen werden! So was tut man der stärksten Nation der Welt nicht ungestraft an. No, Sir. The fuckers will be punished. Hunted down. Brought to justice. Dead or alive.
    John antwortete nicht. Die Worte klangen sehr amerikanisch. Es herrschte Stille in der Bar, abgesehen von dem Gemurmel des Fernsehers und dem schwachen Summen der unsichtbaren Klimaanlage. Sie würden überreagieren, die Amerikaner, dachte er. Sie würden die Situation nicht rational meistern. Das entspricht nicht ihrer Natur. In ihrer Überreaktion würden sie das Netz sehr breit auswerfen, und dabei könnten er und Anna in Schwierigkeiten geraten. Eine Weile sagte er nichts. Schweigend genossen sie ihr zweites Bier. Ein kühles, bitteres Gefühl am Gaumen. Und trotzdem hatte er den Eindruck, als bliebe seine Kehle trocken.
    »Seit vielen Jahren habe ich mal wieder Lust zu rauchen«, sagte Tom.
    »Das wär dumm.« John vermißte das Rauchen nicht. Wie so vieles andere gehörte es einem früheren Leben an, das er mit allen Mitteln hinter sich lassen wollte.
    »Stimmt. Aber was hältst du von diesem Mist?«
    »Ich war in der Wüste. Ich hab keine Ahnung.«
    »Es wird das Geschäft beeinträchtigen. Keiner wird es wagen, jetzt noch zu fliegen.«
    »Das geht vorüber. Mit der Zeit geht alles vorüber.«
    »Kein Mensch wird sich in nächster Zeit noch in so ein scheiß Flugzeug setzen.«
    »Das geht vorüber. Es geht immer vorüber.«
    »Sonnabend kommt eine neue Gruppe Japsen. Kannst du die übernehmen?«
    »Klar.«
    »Falls sie kommen.«
    »Natürlich kommen sie.«
    »Wenn sie dürfen. Alle Drecksflughäfen sind geschlossen.«
    »Wird schon werden.«
    Tom sah ihn an und schwenkte sein Bier im Glas, so daß sich kleine Schaumblasen bildeten.
    »Du machst mir Spaß, John. Cool. Du hast die Japsen im Griff. Ich will nicht klagen. Seit du vor – wieviel? – drei Jahren gekommen bist, ist es immer nur bergauf gegangen. Die Schlitzaugen fragen immer nur nach dir. Sie kommen nur, wenn du sie führst. Willst du nicht mehr Lohn haben?«
    »Doch. Danke«, sagte John überrascht.
    »Mal sehen. Lustig und cool. Eines Tages warst du da. Ein paar Monate Barkeeper, nicht? Aber dazu warst du zu gut. Hab ich gleich gesehen. Als Talentscout bin ich nämlich unschlagbar. Und du hattest Talent. Wie du das angepackt hast. Dich behauptet hast. Es sagt etwas aus, wie sich ein Mann bewegt. Sich behauptet. Dabei ist. Das zählt, Mann. Das seh ich sofort. Der Typ da, der soll nicht hinter der Bar versauern. Der versteht sich auf Kunden. Hab ich gleich gesehen. Wo kommst du eigentlich her?«
    »Aus dem Osten. Hier und da und nirgendwo.«
    »So ist Amerika.«
    »Meine Eltern kamen aus Schweden.«
    »Ach, das Land der scharfen Blondinen mit den

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