Der fernste Ort
sich schon mit Schnee gefüllt hatten, darin ein kleines Tor. Während Julian darauf zuging, fragte er sich, ob er das Opfer eines Scherzes geworden war. Es waren keine Menschen zu sehen, die Mauer sah alt und schief aus; plötzlich trat ihm ein Mann in den Weg. Er war unförmig und breit, und aus seinem Kragen und seinen Ärmeln wuchs ein Pelz dunkler Haare.
»Ich möchte zum Chef«, sagte Julian. »Dem Geschäftsführer. Bitte.«
Der Mann schien nachzudenken. Dann nickte er, drehte sich um und öffnete das Tor, Julian folgte ihm. Sie gingen eine steile Treppe hinunter, dann durch einen Gang. Graffiti überzogen die Wändewie eine fremde Schrift. Julian hörte Schlagzeug, das mit jedem Schritt lauter wurde. Eine Tür sprang auf, und der Lärm prallte mit voller Kraft auf ihn.
Instinktiv hielt er sich die Ohren zu; es dauerte ein paar Sekunden, bis er weitergehen konnte. Sein Führer war schon im Gewimmel verschwunden, dessen Bewegungen das flimmernde Licht in scharf getrennte Momente zerschnitt, er versuchte ihn einzuholen, aber das war schwierig, etwas in der Zeit selbst stemmte sich gegen ihn; ein strömender Widerstand, den er überwinden mußte. Er konnte nicht erkennen, wie groß der Raum war, Qualm hing vor den Scheinwerfern, er sah bleiche Gesichter, offene Münder, Lippen wie mit dem Messer gezeichnet, über dem Schlagzeug schwebte ein auf- und abschwellendes Pfeifen, das ihm in die Ohren schnitt, es fiel ihm schwer einzuatmen, ein Ellenbogen schlug gegen seine Brust, ein betäubender Geruch nach Schweiß, er stieß gegen eine Frau, wollte sich entschuldigen, aber sie beachtete ihn nicht, etwas berührte seinen Hals, weich und sanft wie eine Schlingpflanze, und für einen Moment fühlte er sich ganz von Wasser umgeben, von einer kühlen Stille, jenem Dröhnen eigentümlichverwandt, und er spürte, wie er sank und tiefer sank …
Schon war es vorbei. Und wieder die geschminkten Gesichter, auf denen der Schweiß die Farben auflöste; er rutschte in einer Pfütze von Erbrochenem aus, eine dürre Frau hob beide Arme über den Kopf und drehte sich um sich selbst, niemand schien sie zu beachten, in einer Ecke lag ein Mann; betrunken, dachte Julian, dann fiel ihm das Blut auf, oder vielleicht war es doch nur das rote Licht, er blickte schnell woanders hin. Er hatte seinen Führer noch immer nicht eingeholt, immer mehr Körper schoben sich zwischen sie, der Qualm wurde dichter, er stolperte vorwärts und spürte die Wand unter seinen Handflächen, und neben ihm war eine offene Tür, und sein Führer stand daneben und zeigte ihm, daß er hineingehen sollte. Julian zögerte. Dann fühlte er einen Stoß, und die Tür fiel zu und trennte ihn mit einem Schlag von dem Lärm.
Er rieb sich die Augen. Das Zimmer war abgedunkelt, die Geräusche nur mehr gedämpft, wie von weitem zu hören. Er blinzelte, und allmählich zeichnete sich ein Schreibtisch ab, hinter dem ein glatzköpfiger Mann saß, vorgebeugt, gestützt aufseine Ellenbogen. Seine Brillengläser funkelten schwach.
»Wöllner?«
»Wie bitte?«
»Sie sind doch … Ich meine, Sie sehen aus wie … Nein, entschuldigen Sie, natürlich nicht!« Julian rieb sich die Stirn, seine Brille war beschlagen. »Könnte ich ein Glas Wasser haben?«
»Im Moment nicht.«
Julian nahm die Brille ab und versuchte sie mit einem Zipfel seiner Jacke zu putzen.
»Würden Sie mir sagen, was Sie von mir wollen?«
»Einen …« Julian räusperte sich. »Einen Paß.«
»Ach.«
Julian starrte ihn an. Die Ähnlichkeit war überwältigend; aber vielleicht täuschte er sich auch, das Licht war sehr schlecht. Er setzte die Brille auf, sie war jetzt schmutziger als zuvor. Der Mann lehnte sich nach hinten und verschränkte die Arme. »Und du läßt alles zurück?«
»Was?«
»Ich sagte, Sie vertrauen ja auf Ihr Glück! Wie sind Sie auf mich gekommen?«
Julian wollte etwas von dem Taxifahrer sagen,aber dann ließ er es. »Ich bezahle dafür! Ich weiß, daß Sie mir helfen können.«
»Du glaubst wirklich, du bist dann frei, Julian?«
»Was?«
»Ich sagte, ich sollte wirklich die Polizei holen.« Hinter dem Schreibtisch zeichnete sich ein zweiter Tisch ab, für eine Sekunde glaubte Julian, daß dort noch jemand saß, dann begriff er, daß es wieder nur ein Spiegel war. »Wenn Sie einen Rat wollen, mein Lieber, das ist nichts für Sie. Sie sind nicht der Mann dafür.«
»Aber ich …« Julian unterdrückte einen Hustenanfall. »Ich bezahle!«
Wöllner schwieg. Julian sah sich
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