Der Fetisch-Mörder
und Wirklichkeit war nahezu bis zur Unkenntlichkeit verwischt.
In einem Anfall von verzweifeltem Optimismus kam Mak zu dem Schluss, dass sie sich geirrt haben musste. Dass sie nur wegen des Albtraums gedacht hatte, bei der Leiche handele es sich um Catherine. Und was das schwarze Haar anging – es gab jede Menge schwarzhaarige Menschen. Cat würde anrufen. Bestimmt. Sie blickte auf und sah einen hoch gewachsenen Mann in einem Anzug, der sich wie ein Riese vor ihr aufgebaut hatte. Es war derselbe Mann, den sie zusammen mit Tony Thomas gesehen hatte. Die hellen Scheinwerfer, die ihn von hinten anstrahlten, machten ihn zu einer beindruckenden, gesichtslosen Silhouette.
»Miss Vanderwall, ich bin Detective Senior Sergeant Andrew Flynn. Das Ganze muss ein ziemlicher Schock für Sie sein.« Er hatte eine tiefe Stimme, sprach mit einem angenehmen australischen Akzent und klang, angesichts der Umstände, merkwürdig ruhig. Als sie nicht antwortete, fuhr er fort: »Wenn ich richtig verstanden habe, haben Sie die Leiche gefunden und wären auch imstande, das Opfer zu identifizieren. Ist das richtig?«
»Ja, also … Ich habe sie gefunden, das stimmt, aber ich bin nicht sicher, ob es wirklich Catherine ist.«
»Catherine?« Er notierte den Namen auf seinem Block. »Können Sie mir den vollen Namen nennen?«
»Catherine Gerber. Sie ist eine gute Freundin von mir. Sie ist Model, wie ich, und kommt auch aus Kanada. Das heißt, wenn sie es ist. Ich weiß es nicht.« Sie spürte, wie sich ihre Kehle zu einem schmerzenden, bitteren Knoten zusammenschnürte, genau wie ihr Herz.
Der Detective fuhr ruhig und professionell fort: »Es wäre hilfreich, wenn Sie sich sicher sein könnten. Wären Sie bereit, die Leiche irgendwann morgen früh zu identifizieren?«
»Selbstverständlich …«
»Ich würde Ihnen jetzt gerne ein paar Fragen stellen, wenn Sie nichts dagegen haben. Danach bringt Constable Mahoney Sie nach Hause.«
Sie beantwortete jede seiner Fragen, und er machte sich geduldig Notizen. Ihre Gedanken trieben durch eine surreale Welt aus Angst und Verwirrung, und sie ärgerte sich, dass es ihr so schwer fiel, in dem Ganzen irgendeinen Sinn zu erkennen. Mitunter waren ihre Antworten etwas verworren, doch der Detective ging unbeirrt darüber hinweg und versuchte behutsam, so viel wie möglich aus ihr herauszubekommen.
»Ich bin Kanadierin. Ich bin gestern angekommen und habe ein Arbeitsvisum für drei Monate. Ich wohne zusammen mit Catherine in Bondi, in einer Wohnung, die unsere Agentur für Models angemietet hat. Dies ist mein zweiter Aufenthalt in Australien.«
»Sie haben Catherine also bei Ihrer Ankunft gesehen?«
»Nein, das ist es ja. Ich bin direkt zu ihrer Wohnung gefahren, aber sie war nicht da. Ich hatte gehofft, gestern noch von ihr zu hören – oder spätestens heute.«
»Und? Haben Sie sich gewundert, dass Ihre Freundin nichts von sich hat hören lassen?«
»Und wie!«, erwiderte sie ein wenig energischer.
Der Detective nickte. »Wann haben Sie Ihre Freundin zum letzten Mal gesehen?«
Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, an dem ihre Mutter beerdigt worden war. Sie hatte sich für immer von ihrer eigenen Mutter verabschiedet. Wie hätte sie wissen sollen, dass es auch das letzte Mal sein sollte, dass sie ihre beste Freundin lebend sah?
»Vor fast sechs Monaten. Sie war in Kanada, zur Beerdigung meiner Mutter.«
»Oh, das tut mir Leid.« Er machte eine Anstandspause. »Wie gut kennen Sie Tony Thomas, den Fotografen von Ihrem heutigen Shooting?«
»Ich habe heute erst zum zweiten Mal mit ihm gearbeitet.«
»Ist Ihnen, bevor Sie die Leiche gefunden haben, irgendetwas aufgefallen? War bei dem Shooting irgendetwas anders als sonst? Hat sich jemand ungewöhnlich verhalten? Irgendwelche Andeutungen?«
»Nein, mir ist nichts Außergewöhnliches aufgefallen.«
»Wissen Sie, wer die Location für das Shooting ausgewählt hat?«
Mak dachte einen Augenblick nach. Einige der Fragen kamen ihr merkwürdig vor.
»Ich nehme an, dass Tony die Location ausgewählt hat.«
»Wusste er von Ihrer Beziehung zu Catherine? Ich meine, abgesehen davon, dass Sie über die gleiche Agentur gebucht werden?«
»Ich wüsste nicht, woher er es hätte wissen sollen. Es sei denn, jemand hat es ihm erzählt.«
»Vielen Dank, Miss Vanderwall. Sie haben mir sehr geholfen. Constable Mahoney wird Ihre Aussage aufnehmen und Sie dann nach Hause bringen. Wir sehen uns morgen Vormittag. Hier ist meine Karte. Falls Sie noch
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