Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
Vom Netzwerk:
vor dem Sandsturm. »So ist das nur, wenn Gefahr droht. Wenn sie schon sehr nahe ist.«
    Belén zögert nicht. Er rennt nach vorn und packt Jacián
und Cosmé an ihren Gewändern. Weiter vorn dreht sich Humberto um, und Belén winkt ihn energisch zurück. Sie suchen mit den Augen die Gegend ab, als sie zu mir zurücklaufen.
    Humberto packt mich am Oberarm. »Was ist denn, Elisa? Was ist los?«
    »Ich weiß es nicht. Das kann ich nie richtig sagen, aber der Feuerstein – ich glaube, wir sollten uns verstecken.«
    Jacián klettert bereits die Anhöhe zu einem dichten Wacholdergrüppchen hinauf. »Hier herüber!«, bedeutet er uns mit Gesten. »Geht um das Brombeergestrüpp herum, ich verwische unsere Spuren.«
    Cosmé und Belén stürmen den Hang hinauf. Humberto und ich folgen etwas langsamer. Der Aufstieg ist rutschig und steil, und ich halte mich an hervorstehenden Wurzeln fest, um mich nach oben zu ziehen. Das Gestrüpp ist schwer zu durchdringen, die Bäume stehen dicht an dicht und verteidigen den Boden gut. Humberto biegt die Zweige beiseite, damit ich mir einen Weg hineinbahnen kann, aber sie kratzen trotzdem über meinen Rücken und meine Schultern. Schließlich stütze ich mich gegen einen knorrigen Stamm, um auf dem steilen Hang nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Eine herbe Flüssigkeit tropft von den Blättern oder vielleicht auch von den bläulichen Beeren, und die Luft ist leicht sauer, aber kühl. Spinnweben kitzeln meine Wangen. Ich weiß nicht, wie lange wir uns hier werden verstecken müssen, zusammengekauert unter dem Wacholdergrün.
    Kurz darauf stößt Jacián atemlos zu uns. »Hast du eine Ahnung, worauf wir warten, Prinzessin?«, flüstert er.
    Ich schüttele den Kopf. »Aber der Feuerstein hat sich
genauso verhalten wie neulich, bevor der Sandsturm über uns hereinbrach.«
    »Also könnte es alles Mögliche sein?«
    Während ich nicke, hält ihm Cosmé schon den Mund zu. Still deutet sie in die Schlucht hinunter, die wir gerade verlassen haben. Die Bäume stehen so dicht, dass nur ein paar Flecken ockerfarbener Staub und roher Fels zu sehen sind, und mir ist zuerst nicht klar, worauf sie zeigt.
    Und so höre ich sie, bevor ich sie sehe. Knirschende Schritte auf Kies. Ein klapperndes Geräusch, wie ein Windspiel aus Holz. Oder hohlen Knochen.
    Plötzlich habe ich das Gefühl, nicht mehr genug Luft zu bekommen. Ich bin viel zu nahe am Boden, und Dunkelheit umgibt mich. Angespannt erwarte ich, dass Pfeile mich durchbohren, dass unsere Kutsche in Flammen aufgeht und dass ich meine Zofen nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen kann …
    Eine Hand auf meiner Schulter lässt mich zusammenzucken. Als ich aufsehe, beugt sich Humberto über mich, und seine Augen sind so nahe und leuchten so hell. Ich schlucke. Der Angriff der Perditos ist schon lange vorüber, das weiß ich, aber als ich durch die Zweige in die Schlucht hinunterspähe, fürchte ich trotzdem, dort Männer zu sehen, die sich schwarz-weiße Spiralen auf die Haut gemalt haben, geduckt wie Tiere herumschleichen und um die Knöchel und in den Haaren winzige Knochen tragen.
    Dann kann ich ein Stückchen Pelz ausmachen. Einen langen Köcher mit Pfeilen. Hüftlanges, verfilztes Haar. Ich wage kaum zu atmen, während unsere Feinde auf nackten Füßen vorüberschleichen. Vielleicht eine Gruppe von Jägern?
Kundschafter? Ihre Haut ist so blass, an manchen Stellen auch von der Sonne gerötet und fleckig. Atemlos fürchte ich jeden Augenblick, irgendeinen Hinweis auf unsere Entdeckung wahrzunehmen, aber durch die Bäume ist das kaum möglich. Sie sind unglaublich leise, und ihre Schritte und die klappernden Knochen sind das Einzige, was überhaupt zu hören ist, obwohl wir ihnen so nahe sind. Wenn der Feuerstein nicht gewesen wäre, wären wir ihnen direkt in die Arme gerannt. Gemalte Spiralen kann ich nicht entdecken, aber trotzdem ist die Ähnlichkeit mit den Perditos frappierend.
    Inviernos. Endlich bekomme ich meinen Feind zu sehen, wenn auch die dichten Zweige nur kurze Blicke gestatten. Sie sind kleiner, als ich sie mir vorgestellt habe, blasser, aber von wilderem Aussehen. Wie die Perditos bewegen auch sie sich mit animalischer Gewandtheit.
    Wir warten in angespanntem Schweigen. Meine Füße verkrampfen sich, und mein Hals juckt wie verrückt, aber ich wage es nicht, mich zu bewegen. Der Feuerstein pumpt weiter Eis durch meine Adern. Humbertos Hand liegt schwer und heiß auf meiner Schulter, und ich bin froh darüber. Es sind so viele da

Weitere Kostenlose Bücher