Der Feuerthron
betreten. Ich habe mich vor den beiden geschämt, aber ich war wie gelähmt. Aber als wir gestern von Gelonda zurückkamen, rief der Wald uns und warnte uns davor, in Ilynrah anzulegen. Daraufhin haben wir das Boot ein Stück außerhalb in einer Bucht versteckt und sind dann zu Fuß zum Wald gegangen. Die Bäume haben uns wie alte Freunde begrüßt und uns mit Nahrung und sogar mit Arzneimitteln versorgt. Einige von uns waren wirklich schlecht dran, weil wir auf unserer Flucht kaum Essen und Wasser bei uns hatten.«
Hannez wollte noch mehr erzählen, doch Meraneh unterbrach ihn. »Du sagst immer wir! Wer ist denn noch bei dir?«
»Das wirst du gleich sehen.« Hannez sah ein wenig betreten drein, denn er hatte Angst, ihr würde die Gruppe Ausländer, die er mitgebracht hatte, nicht gefallen. »Der Geheime Staatsrat Hemor ist auch bei uns«, setzte er hinzu, um ihre Besorgnis ein wenig zu dämpfen.
»Graf Hemor? Aber warum ist er nicht sofort in die Stadt zur Königin geeilt? Gerade in der jetzigen Zeit ist sie auf seinen Rat angewiesen.« Meraneh ließ keinen Zweifel daran, dass sie wenig von solchen Versteckspielen hielt, wie Hannez und seine Begleiter sie betrieben.
»Der Hexenwald hat uns davor gewarnt, uns zu zeigen. Ich durfte ihn nur verlassen, um dich zu holen.« Hannez’ Erklärung war jedoch wenig geeignet, Meranehs Befürchtungen zu zerstreuen.
»Aber wenn ihr den Wald nicht verlassen dürft, seid ihr doch seine Gefangenen!«
»Eher seine Gäste. Der Wald schützt uns, und er hofft, dass wir ihm später helfen können.«
»Bei was helfen?«, fragte Meraneh scharf.
Hannez hob hilflos die Hände. »Das hat er nicht gesagt. Aber ich vertraue ihm, und das solltest du auch tun. Der Hexenwald ist ganz sicher kein Freund unserer Feinde. Und jetzt komm!«
Seiner Entschlossenheit hatte Meraneh nichts mehr entgegenzusetzen. Ihr blieb auch nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, denn es gab keinen Ort, an dem sie Unterschlupf finden konnte. In der Stadt hätte sie um eine Unterkunft betteln müssen, und da Ilynrah voller Flüchtlinge war, die aus allen Teilen der Insel stammten, hätte sie wohl unter einem Vordach auf der Straße nächtigen müssen. Da war es besser, ein Bett aus Farn oder Moos unter einem Baum zu bekommen – und schließlich war es angesichts der bevorstehenden gurrländischen Invasion unwichtig, an welchem Ort sie ihr Ende fand.
In der Ferne sahen sie Leute, die aus dem Umland in die Hauptstadt flohen, doch auf der Straße, die zum Hexenwald führte, kamihnen niemand entgegen. Daher wunderte Meraneh sich über den guten Zustand des Weges, der in ihren Augen ins Nichts führte, und sie begann zu schimpfen.
»Für den Weg hier hatten die königlichen Beamten Zeit und Geld, aber um die Gassen im Fischersechstel zu pflastern oder gar eine neue Brücke zu bauen, war nichts da.«
»Seltsam ist es schon«, stimmte Hannez ihr zu. Doch als er sich umdrehte, sah er, dass die Straße, die zur Stadt führte, einem Tierpfad glich und nur in der Nähe des Hexenwaldes so wirkte, als wäre sie extra für einen Besuch Ihrer Majestät, Königin Ilna V. erneuert worden.
»Das soll einer verstehen!«, rief er verdattert aus und erschrak im selben Augenblick ebenso wie Meraneh, denn es drang ein Lachen an ihr Ohr, welches von den Bäumen zu kommen schien. Trotz des Gefühls, in etwas Unheimliches hineingeraten zu sein, beeilten sie sich, den wie mit dem Messer geschnittenen Saum des Hexenwaldes zu erreichen. In dem Augenblick, in dem sie die Grenze überschritten, sahen sie eine in ein weites, blaues Gewand gehüllte Frau im Schatten eines Baumstammes stehen, die ihnen interessiert entgegenblickte.
Als sie direkt vor der Fremden standen, schluckten beide, denn die Gestalt sah nicht richtig stofflich aus, sondern war durchscheinend und leuchtete von innen heraus in einem sanften Blau. Sie wirkte jünger als Meraneh, sah ihr aber so ähnlich, dass man sie für deren Schwester hätte halten können. Sie lächelte Hannez freundlich zu, legte dann aber ihre Arme um seine Begleiterin und küsste sie.
Die Berührung war seltsam, aber nicht unangenehm, fand Meraneh. Der Körper der Frau war nicht so fest wie der eines Menschen, sondern noch weicher und nachgiebiger als ein Federkissen, aber sie strahlte Wärme und Zärtlichkeit aus.
»Wer bist du?«, fragte sie.
»Das wirst du später erfahren. Kommt jetzt! Ich spüre, dass sichdie Krallen der falschen Hexe nähern. Sie darf uns nicht hier antreffen!« Sie
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