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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Später haben sich die Geister anderer magisch Begabter zu mir gesellt, darunter auch die meiner Tochter und meiner Enkelin.«
    Für einige Augenblicke konnte Meraneh mehrere schattenhafte Gestalten erkennen, die sich bald wieder auflösten.
    »Sie vermögen sich nicht so zu manifestieren wie ich«, entschuldigte die Geisterfrau sie. »Wir haben hier in diesem Wald die Zeit abgewartet und uns dabei von der Welt der Lebenden abgeschottet, weil wir durch die Begegnungen mit ihnen an unseren eigenen Tod erinnert wurden. Zu Beginn war es recht einfach. Der Hexenwald wurde mit einem Tabu belegt und den Menschen untersagt hierherzukommen. Später hielten sich manche nicht mehr daran, weil sie hofften, hier Schätze zu finden oder Ähnliches. Daher erprobten wir die Wirksamkeit unserer Pfeilbüsche und Schlangenbäume an ihnen. Nur mit dem jeweiligen Hofmagier haben wir einen gewissen Kontakt gehalten. Daher war es für uns sehr bedauerlich, dass Merala dieses Amt nicht übernommen hat. Torrix bekam nie den Zugang zu uns, den sie hätte haben können. Mit Merala als Hofmagierin wäre es nicht zu jener Entführung gekommen, der sie und Torrix zum Opfer gefallen sind.«
    Meravane verstummte erschöpft, und Meraneh schüttelte verwirrt den Kopf. »Du willst meine Ahnfrau sein?«
    »Das bin ich.« Meravane seufzte und lehnte sich gegen einen Baum, achtete aber nicht darauf, dass sie ja ein Geist war, und sank halb in ihn hinein.
    »Wir stehen an einer Zeitenwende, und die Hoffnung auf Erfolg wird nur durch wenige kleine Grüppchen am Leben erhalten. Betet zu allen Göttern, dass sie uns helfen. Wenn der Herr des Feuerthrons siegt, verfallen hier alle der Sklaverei oder dem Tod. Das habe ich einmal mitgemacht und möchte es nicht wieder erleben.«
10
    Die See glühte. Dämpfe in allen sechs magischen Far ben stiegen von der Meeresoberfläche auf, wurden davongewirbelt und formten sich zu Wolken, aus denen Blitze zuckten. Gewaltige Donnerschläge rasten über das Meer und ließen das Boot erzittern. Kip und Careela standen wie festgewachsen am Bug, klammerten sich an der Reling fest und starrten dieses Schauspiel gebannt an. Währenddessen korrigierte Girdhan immer wieder das Segel mit der Hand, weil das Boot nicht mehr dazu in der Lage war. Fleckchen und Timpo aber hatten sich in dem Zelt hinter dem Mast verkrochen, das im Augenblick kaum größer war als eine Hundehütte.
    Hekendialondilan saß mit geschlossenen Augen auf der Bank im Heck und hielt Mera fest umschlungen. Wie schon bei der Befreiung aus der Höhle und später bei der Heilung des Runimädchens waren ihre Geister beinahe zu einem verschmolzen, und so nahmen ihre magischen Sinne viel mehr wahr als ihre Augen. Sie ertasteten die Wirbel, die das Meer durchfurchten und die mächtigen Stürme entzündeten, die wie der Schnitt einer Sense über die See zogen und jedes Schiff auf ihrem Weg zerschmetterten.
    Hier an der Stätte ihrer Geburt fehlte den Stürmen zwar noch die volle Wucht, und auch die Regenmassen, die sonst daraus niederstürzten, waren noch recht harmlos. Dennoch erschütterten dieDonnerschläge die Menschen bis ins Mark, und das Boot zitterte jedes Mal, als wolle es zerspringen. Wenn es besonders laut krachte, fegte danach ein heißer, wie verbrannt schmeckender Dunst über sie hinweg.
    »Das sind Gegenfarbenexplosionen! Wenn uns eine davon trifft, sind wir schneller versenkt, als wir denken können!« Hekendialondilan wusste, dass ihre Worte sich nicht gerade aufmunternd anhörten, aber sie starb beinahe vor Angst. Nie zuvor hatte sie wirklich aggressive schwarze Magie erlebt. Nun aber spürte sie geballte Wolken von dieser Farbe und kämpfte gegen Panikanfälle an. Ohne Meras Unterstützung hätte sie schon längst den Bug gewendet und dieses entsetzliche Gebiet verlassen.
    »Vorsicht! Genau vor uns rollen eine gelbe und eine violette Welle auf uns zu!«, warnte Mera. Sie hatte nicht weniger Angst als die junge Runi, war aber in ihrem Leben schon öfter mit unangenehmen Situationen konfrontiert worden und kam daher besser mit der Anspannung zurecht.
    »Steuere nach links!«, sagte sie. Da das Schiff zu schwerfällig reagierte, versetzte sie Girdhan einen leichten magischen Schlag. »Das Segel herum, wir müssen mehr nach backbord!«
    Girdhan packte das Segel und zog es mit aller Kraft in die gewünschte Richtung.
    »Ihr beide könntet mir eigentlich helfen!«, blaffte er Kip und Careela an, die mit Grausen, aber auch kindlichem Staunen das Schauspiel um

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