Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
ihr bislang nicht annähernd so viel Furcht einjagen können wie diese vielleicht zweihundert Meilen durchmessende Meeresfläche, die nur noch wenige Stunden entfernt lag und in der Kräfte walteten, die sich auch von einer Runi nicht beherrschen ließen.
8
    Meraneh weinte, als der Soldat eine Fackel in den »Blauen Fisch« warf und den Haufen aus Decken, Holzkrügen und anderem brennbaren Material in Brand setzte, den sie dort hatte anhäufen müssen. Solange sie zurückdenken konnte, war das Gasthaus ihr Leben gewesen, und sie hatte sich dort sicher und glücklich gefühlt. In letzter Zeit aber war ihre kleine Welt in Stücke gebrochen. Zuerst war ihre Mutter entführt worden, und dann hatten Mera und Girdhan fliehen müssen. Kurz darauf war Hannez einberufen worden und hatte im Heer der Königin Ilyndhir verlassen müssen. Nicht lange danach hatte Meraneh von der schrecklichen Niederlage gegen die Gurrländer gehört und davon, dass die Flotte und das Heer vernichtet worden waren. Dabei hatten Tausende aus Ilyndhir den Tod gefunden oder waren in die Gefangenschaft der schrecklichen Gurrländer geraten.
    Meraneh starrte in die Flammen, die sich langsam ausbreiteten, und betete stumm zu der Großen Blauen Göttin, dass Hannez die Schlacht überlebt hatte und den Weg zu ihr zurückfand. In dieses Gebet schloss sie auch Mera, Girdhan und Kip mit ein, deren Spur sich in den Weiten des Meeres verloren hatte. In ihren trübsten Stunden hatte sie sie alle tot gesehen und sich nichts stärker gewünscht, als ebenfalls zu sterben. Aber jedes Mal war plötzlich eine durch nichts zu erklärende Zuversicht in ihr hochgestiegen, die ihr sagte, dass ihre Tochter Mera noch lebte und Hannez dem grausamen Feind entronnen sei. Dann hoffte sie für eine Weile, es würde doch noch alles gut werden.
    Im Augenblick aber glaubte sie nicht daran, dass es noch irgendeine Hoffnung gab. Erkundungsschiffe hatten berichtet, dass sich eine Flotte aus dem Süden näherte, die von mehreren Schwarzen Galeeren angeführt wurde. Das war kein Kommandounternehmen mehr, sondern der Beginn einer Invasion. Da die Gurrländer inder offenen Schlacht schier unbesiegbar waren, hatte die Königin bestimmt, nur Ilynrah und die anderen, stark befestigten Städte zu verteidigen. An die Leute in der Fischervorstadt war der Befehl ergangen, sich in die ummauerte Stadt zurückzuziehen und ihr Sechstel niederzubrennen, damit die Gurrländer sich dort weder verschanzen noch Material finden konnten, das für den Bau von Kriegsmaschinen und Ähnlichem geeignet war.
    Das Feuer im »Blauen Fisch« loderte nun heftiger auf und erreichte die hölzerne Wandtäfelung und die Schanktheke. Meraneh schüttelte alle störenden Gedanken ab und wischte sich die Tränen aus den Augen, denn sie wollte das Ende ihres Gasthofes bewusst mit ansehen.
    »He, Weib, tritt beiseite, sonst erwischt das Feuer dich noch!« Ein Büttel wollte Meraneh fortscheuchen, doch sie blieb stehen. Schließlich packte er sie und zog sie mit sich.
    »Geh endlich über die Brücke! Oder willst du noch hier sein, wenn die gurrländischen Schweine kommen?«
    »Redest du auch noch so mutig, wenn sie da sind?«, fragte Meraneh bitter. »Mann, ich habe alles verloren, was ich je besessen habe. Ob jetzt die Gurrländer kommen oder nicht, fällt auch nicht mehr ins Gewicht.«
    »Deine Rede ist Hochverrat!«, fuhr der Büttel auf.
    Meraneh zuckte mit den Schultern. »Melde mich doch! Wenn man mich einsperrt, habe ich wenigstens wieder ein Dach über dem Kopf.«
    »Du bist doch die Frau, die diesen gurrländischen Spion großgezogen hat. Deinesgleichen sollte man am besten gleich erschlagen und den Kadaver in den Fluss werfen!« Der Büttel versetzte ihr einen Schlag mit seinem Stock und ging weiter. Meraneh spürte seine Angst und noch etwas anderes, das sich irgendwie fremd anfühlte. Ein düsterer Schatten hing wie Rauch an dem Mann. Er war ein Teil jener bedrückenden, schwarzen, für normale Augen jedoch unsichtbaren Wolke, die die Hauptstadt einhüllte.
    Während sie weiterging, wunderte sie sich über sich selbst. Wieso nahm sie etwas wahr, das so stark auf Magie hindeutete? Ihre Mutter verstand etwas davon, aber sie selbst war ihr Leben lang magisch unbegabt gewesen. Beunruhigt schritt sie auf die Brücke zu, obwohl sie am liebsten davongelaufen wäre, anstatt sich in den Dunstkreis der Stadt zu begeben. Als sie sich in die Schlange derjenigen einreihte, die darauf warteten, sich in der Hauptstadt in

Weitere Kostenlose Bücher