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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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der in dieser verwirrenden Traumwelt gefangen war, wusste der Runi sehr viel. Daher stieg Misstrauen in Mera hoch. Dann aber erinnerte sie sich daran, dass Reodhendhor jahrein, jahraus nichts anderes zu tun hatte, als dem Wind zu lauschen und die magischen Bilder und Gedanken zu ordnen, die dieser ihm zutrug. Da war es wohl nicht schwer, ein großes Wissen anzusammeln.
    »Wenn ich Euch recht verstehe, müssten wir nach Gurrland gehen und dort Anspruch auf den Feuerthron erheben«, sagte sie nachdenklich.
    »So leicht geht das nun auch wieder nicht. Der Kaiser von Gurrland hat gründlich dafür gesorgt, dass niemand die Insel gegen seinen Willen betritt, und wer es dennoch versucht, braucht den Segen aller Göttinnen und Götter.« Reodhendhor berichtete von Vorkehrungen, die der neue Herrscher getroffen hatte, aber auch von den Verteidigungsmaßnahmen, die aus seiner eigenen Zeit stammten.
    »Anders als damals«, schloss er, »hilft das Schwert weniger als der Kopf. Vielleicht hätten wir auch vor tausend Jahren mehr nachdenken und unseren Arghanfreund davon abhalten sollen, auf Wassuram loszugehen. Zwar hat sein Eingreifen etlichen von uns das Leben gerettet, aber dafür sterben nun andere, die sonst nicht vor ihrer Zeit zu den Göttern hätten gehen müssen.«
    Mera begriff, dass Reodhendhor damit nicht nur Runi, sondern auch Menschen meinte, und rechnete ihm dies hoch an. Zwar wusste sie nicht, wie alt Leute seines Volkes werden konnten, aberes musste für diese langlebigen Wesen noch schlimmer sein als für Menschen, im Krieg zu sterben und durch feindliche Magie auch noch um die Möglichkeit einer Wiedergeburt gebracht zu werden.
    Neugierig zupfte sie Hekendialondilan an der Tunika. »Wie alt mag dieser Mann dort geworden sein? Einen Menschen seines Aussehens würde man zwischen dreißig und vierzig Jahre schätzen.«
    »Das kann ich dir nicht sagen, denn ab einer gewissen Reifestufe sehen alle Runi so aus. Nur jenen, die kurz vor ihrer Wanderung zu Meandirs Seelendom stehen, und ganz jungen wie mir kann man das wirkliche Alter ansehen.«
    »Und wie alt bist du?«, wollte Kip wissen.
    Hekendialondilan lächelte sanft. »Ich bin erst dreihundert Jahre alt und damit eigentlich noch viel zu jung, um eine so große Reise ohne meine Mutter antreten zu dürfen.«
    »Dreihundert Jahre?« Kip schnappte nach Luft. »Und da sagst du, du wärst noch zu jung, um allein vor die Tür zu gehen? Bei der Blauen Göttin! Die alte Rinah ist mit einhundertelf Jahren gestorben, und sie galt etliche Zeit als die älteste unseres Volkes!«
    »Was nicht stimmen kann, da meine Großmutter noch um viele Jahrzehnte älter ist«, wandte Mera ein.
    »Merala ist ja auch eine Hexe, und Hexen halten sich gut, heißt es im Volksmund.«
    »Großmutter hat bereits gelebt, als Hekendialondilan zur Welt gekommen ist.« Bis jetzt hatte Mera geglaubt, das Runimädchen sei etwa so alt wie sie selbst, und begriff nun, dass sie dieses Volk nicht mit menschlichen Maßstäben messen durfte.
    Kip versuchte auszurechnen, um wie viele Jahre Hekendialondilan älter war als er, und kam auf zweihundertsiebenundachtzig. Das war eine Zahl, die er gerade noch buchstabieren konnte.
    Auch Careela, die bislang versucht hatte, auch dem Runimädchen gegenüber ihren Rang herauszustreichen, war sichtlich beeindruckt. Dennoch musste sie auch diesmal das letzte Wort haben.»Am Hofe ihrer violetten Göttlichkeit, der Herrin Linirias, leben Wesen, die noch viel älter werden als diese Runier.«
    Kip sah sie mit einem listigen Ausdruck in den Augen an. »Du warst sicher schon dort und hast mit eurer Göttin heißen Vla getrunken! Oder hat sie dir trotz deiner Jugend bereits Wein eingeschenkt?«
    Careelas Gesicht, das mangels violetter Schminke so aussah wie das jedes anderen normalen Mädchens auch, färbte sich vor Verlegenheit blutrot. »Das ist Blasphemie!«
    »Aber sie kam von dir!«, erinnerte Kip sie und legte sich grinsend ins Moos zurück.
    Mera kümmerte sich nicht um das Wortgefecht, sondern sah den Runi bittend an. »Wer soll den Herrn des Feuerthrons stürzen? Das muss doch gewiss eine mächtige Hexe oder ein großer Magier sein.«
    »Der Kaiser von Gurrland kennt alle Hexen und Magier, die ihm gefährlich werden können. Sein Arm reicht weiter, als ihr es euch vorzustellen vermögt. Selbst die Entführung eures Hofmagiers Torrix und deiner Großmutter geschah nicht ganz ohne sein Einwirken, und sie nützt ihm am meisten. Trotzdem hat er sich geirrt. Nicht Merala

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