Der Feuerthron
Königin hatte eine unerwartet große Schlappe erlitten und nur mit Glück überlebt. Nun sann sie auf Rache und würde nicht eher aufgeben, bis sie die Gejagten in den Händen hatte.
»Heißt das, wir kommen nicht weg?« Careela sprach aus, was alle dachten, und drückte dabei den kleinen Argo an sich, der sich bislang unauffällig und brav verhalten hatte. Nun aber fühlte der Kleine sich zu fest gepackt und begann zu quengeln.
Mera schüttelte verzweifelt den Kopf. »Wenn wir hierbleiben, werden wir sterben und zu ebensolchen Geistern wie Herr Reodhendhor.«
»Wenigstens hätten wir einander zur Gesellschaft und müssten nicht so allein hier leben wie er.« Kips Hang zu schlechten Scherzen machte auch vor dieser Situation nicht halt. Careela fauchte ihn an, endlich still zu sein, während Mera und die anderen nach einer Lösung suchten.
»Ist es nicht seltsam, dass wir unsere Verfolger sehen können, aber sie uns nicht?«, fragte Girdhan nach einer Weile.
Reodhendhor lauschte in den Wind, der wieder auffrischte. »Der Zauber der Erinnerung wirkt nur hier auf der Kerninsel. Da wir von ihm erfüllt sind, stellt die Illusion für uns die Wirklichkeit dar. Deshalb sehen wir auch keine magischen Stürme, obwohl sich gerade wieder welche zusammenbrauen. Sianderilneh und ihre Leute hingegen sehen diese Gegend so, wie sie wirklich ist, mit all ihren Klippen, Riffen und den vom Meer abgeschliffenen Felsen.«
Girdhan hielt sich das Auge zu, das ihm die Insel der Jetztzeit zeigte, und betrachtete mit dem anderen den Fluss, der in der Illusion weit über jene Stelle hinausfloss, an denen Sianderilnehs Schiffe patrouillierten. »Vielleicht kann der Fluss uns helfen!«
»Aber der ist doch nicht wirklich«, rief Kip aus.
»Ich bin aber recht wirklich darin geschwommen und die anderenauch.« Mera hatte begriffen, worauf Girdhan hinauswollte, und wandte sich an den Runigeist. »Die aus der Erinnerung dieser Insel geborene Illusion wirkt im Augenblick wie echt. Doch wie weit reicht sie? So weit wir sehen können?«
Reodhendhor zog seine schmale Stirn in nachdenkliche Falten. »Ich weiß es nicht. Nach außen hin wird der Zauber auf jeden Fall schwächer. Ich habe aber nie versucht, die Insel zu verlassen, um das Ende des Zaubers zu erkunden. Die magischen Stürme hätten mich sonst sicher gepackt und zerrissen.«
Girdhan gab sich nicht so schnell geschlagen. »Wenn wir unser Schiff nehmen und auf diesem Fluss hier fahren, müssten wir an Sianderilneh vorbeikommen, ohne dass sie uns bemerkt.«
Kip fand jedoch einen Haken an der Sache. »Unser Boot ist unten in der Höhle. Wie willst du es hier heraufbringen? Durch den Felsspalt passt es selbst dann nicht, wenn es sich noch schlanker macht.«
Mera wies auf Reodhendhor. »Erinnere dich daran, dass unser neuer Freund ein weitaus größeres Schiff in diese Höhle hat versetzen können. Vielleicht kann Hekendialondilan das mit ihrem Schiff auch machen.«
Das Runimädchen schüttelte den Kopf. »Ich besitze zwar einige Fähigkeiten, aber das traue ich mir nicht zu. Unsere Kräfte entwickeln sich erst im Lauf der Zeit, und ich bin, wie ihr wisst, für mein Volk noch sehr jung.«
»Du bist ja auch erst dreihundert Jahre alt«, brummte Kip, der immer noch an dieser Tatsache zu knabbern hatte.
»Herr Reodhendhor, könnt Ihr unser Boot versetzen?«, fragte Mera hoffnungsvoll.
Er lächelte entschuldigend. »Ich bin nur eine herumirrende Seele und vermag kaum etwas in der Welt der Lebenden zu bewirken.«
Ein Leuchten ging über Hekendialondilans Gesicht. »Aber du weißt, wie es geht! Vielleicht kann Mera dir helfen. Sie besitzt die Gabe, die Kräfte anderer zu verstärken!«
Dieser Vorschlag erschreckte ihre blaue Freundin. Zwar unterhielt sie sich gerne mit Reodhendhor, aber es graute ihr davor, eine so enge Verbindung mit dem Geist eines Toten einzugehen. Da es aber keine andere Möglichkeit zu geben schien, musste sie sich wohl überwinden. Sie schnaufte tief durch, bevor sie auf den Runi zutrat.
Als sie ihre Hände ausstreckte, um ihn zu berühren, traf sie auf nur leichten Widerstand und sah bestürzt, wie ihre Finger in seinem Körper eindrangen.
Schnell zog sie ihre Hände zurück. »Verzeiht! Das wollte ich nicht!«
Reodhendhor wirkte ein wenig enttäuscht. »Du hast seltsame Kräfte, und deine Berührung hat mich sogar etwas gestärkt. Wenn du noch einmal Verbindung mit mir aufnimmst, versuche ich, euer Boot an dieses Ufer zu versetzen.«
Mera grinste
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