Der Feuerthron
entschuldigend und streckte beide Hände aus. Dabei achtete sie darauf, sie diesmal nur auf seine Haut zu legen. Dennoch drang sie einen Fingerbreit ein und spürte sofort seine tastenden Sinne in ihrem Kopf.
»Wirklich erstaunlich!«, rief er aus. »Du stammst nicht nur von blauen Hexen, sondern auch von weißen Runi ab. Das macht es mir leicht, mit deinen Fähigkeiten zu arbeiten.«
Für einen Augenblick hatte Mera das Gefühl, als würde ihr Gehirn explodieren, und sie wäre haltlos zusammengesunken, hätte Girdhan sie nicht aufgefangen. Als sie wieder bei Bewusstsein war, sah sie Hekendialondilans Schiff vor sich liegen. Es maulte ein wenig, weil es der Ansicht war, noch etwas mehr Ruhe zu brauchen, um sich richtig erholen und reparieren zu können.
Reodhendhor drängte jedoch zum Aufbruch und erklärte ihnen, der Zauber wirke in dieser Nacht mit am stärksten. Das müsse an der Stellung der Monde liegen, und bis zu einer ähnlichen Konstellation würden viele Wochen oder gar Monate vergehen. In den nächsten Nächten, versicherte er ihnen, würde der Zauber zu früherlöschen, so dass sie noch vor ihren Verfolgern in die reale Welt stürzen würden.
Diese Worte gaben den Ausschlag. Mera bedankte sich bei dem Runigeist und stieg an Bord. Hekendialondilan und Careela, die es in dieser Umgebung immer mehr grauste, folgten ihr auf dem Fuß. Kip aber blieb mit einem halb entschuldigenden, halb neugierig wirkenden Grinsen vor Reodhendhor stehen.
»Verzeiht, Herr, aber in den Sagen der Völker wird erzählt, dass die Helden, die ausziehen, um Abenteuer zu bestehen, auf freundliche Wesen treffen, die ihnen Geschenke geben, mit denen sie ihre Aufgaben erfüllen können.«
»Kip, was soll das?«, rief Mera empört.
Der Runigeist lachte jedoch nur und wies auf die Stelle, an der unter dem Fluss noch schemenhaft der Höhleneingang zu sehen war. »Auf meinem Schiff gibt es noch ein paar Sachen, die euch vielleicht helfen können. Ihr müsst sie nur holen.«
Kip blickte Girdhan an, sah diesen nicken und sprang ins Wasser. Sein Freund folgte ihm und tauchte ebenfalls in die Tiefe und in die reale Welt hinein.
Die Jungen blieben für Meras Gefühl viel zu lange aus. Sie sah den Zauber der Nacht schon genau in dem Moment zusammenfallen, in dem sie an dem Schiff ihrer Feindin vorbeifuhren. Als die beiden wieder im Wasser schwammen und prustend ans Ufer krochen, war sie jedoch so erleichtert, dass sie ihnen keines der Schimpfworte an den Kopf warf, die ihr eben noch durch den Kopf geschossen waren.
»Viel war nicht mehr auf dem Kahn, aber ein paar Sachen haben wir gefunden«, krähte Kip triumphierend und schwenkte ein großes Bündel.
»Kommt an Bord! Wir müssen ablegen!« Mera winkte den beiden, sich zu beeilen, und sah dann Reodhendhor an. »Es tut mir leid, dass wir Euch allein hier zurücklassen müssen.«
»Fahrt mit dem Segen aller Göttinnen und Götter.« Der Runigeisthob die Hand zum Gruß und trat ein Stück zurück, während Hekendialondilans Boot von selbst in das Wasser glitt und sich darüber beschwerte, dass dieses Wasser nicht das Wasser wäre, das es gewöhnt sei.
»Du wirst schon darauf fahren können, mein Gutes«, versuchte Hekendialondilan das Boot zu beruhigen und befahl ihm dann, in die Mitte des Flusses zu steuern.
Reodhendhor sah zu, wie das Boot Fahrt aufnahm, und wollte sich gerade umdrehen. Dann aber huschte ein beinahe übermütiger Ausdruck über sein Gesicht, und er eilte mit einer Geschwindigkeit hinter den Davonfahrenden her, die kein lebendes Wesen erreichen konnte. Er holte das Boot ein, fasste das Heck und schwang sich an Bord. Seine Geisteraugen glühten dabei so gelb wie in seiner besten Zeit.
»Ich komme mit euch!«
»Aber werden die magischen Stürme Euch nicht zerfetzen?«, fragte Mera besorgt.
»Du hast mir sehr viel Kraft gegeben! Vielleicht reicht sie aus, um dieses Gebiet endlich unbeschadet durchqueren zu können.« Reodhendhor ließ keinen Zweifel daran, dass er diese Inselwelt verlassen wollte, auch wenn die Illusion des Felsens ihm eine Heimat geboten hatte.
Mera aber machte sich Sorgen, er könne seine neu gewonnene Kraft überschätzen, und umschloss ihn mit den Armen, um ihn zu beschützen.
18
Hekendialondilan wollte ihr em Boot befehlen, so schnell zu schwimmen, wie es ging, doch Reodhendhor riet ihr, sich einfach der Strömung des Flusses zu überlassen.
»Eure Verfolger würden dich bemerken, wenn du Kraft aufwendest, um dein Schiffchen zu beschleunigen.
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