Der Feuerthron
phantastischere Wesen sein sollten als die Gurrländer, war es schließlich gelungen, den Dämon mit Hilfe eines Sagenwesens – eines Feuer speienden Arghan – zu vernichten und den Feuerthron zu zerstören, mit dessen Hilfe der Dämon Menschen und Gurrländer unterjocht hatte. Danach waren die Gurrländer ein Volk wie alle anderen geworden. Sie hatten sich auf ihre Heimatinsel zurückgezogen, und den Berichten ihrer Großmutter nach sollen sie dort als brave Bauern und Handwerker gelebt haben. Ein kleiner Teil von ihnen war auf Girdania, Gurrlands nördlicher Nachbarinsel, geblieben und hatte sich mit Menschen vermischt. Von diesen Leuten stammte Girdhan ab.
Warum die Gurrländer vor etwa vierzehn Jahren wieder begonnen hatten, ihre Nachbarn mit Krieg zu überziehen, wusste Mera allerdings nicht. Mit einem Mal stieg das Bild des Nebels in ihr hoch, der das Boot mit Merala und Torrix verschlungen hatte, und sie erinnerte sich, dass er, wie Girdhan behauptet hatte, tatsächlich schneeweiß gewesen war und von innen geleuchtet hatte. Die heilige Farbe der Gurrländer war jedoch ein makelloses Schwarz, und nach der Lehre von den sechs Göttern, für die die Farben standen, konnte der Kaiser von Groß-Gurrland seine Schiffe unmöglich unter einem Schirm des ihm feindlichen Weiß fahren lassen. Dann aber sagte sie sich, dass niemand anderes ein Interesse daran besaß,ihre Großmutter und den Hofmagier von Ilyndhir zu entführen. Ihr Blick streifte Timpo, der ungewohnt brav seine Mahlzeit beendete und wieder auf Großmutters Bett kletterte. Dort schlüpfte er unter die Decke und wimmerte leise vor sich hin.
»Du Ärmster! Du vermisst die Großmutter ebenso wie ich!« Mera wollte sich gerade zu ihm setzen und ihn streicheln und trösten, da rief die Mutter hörbar verärgert nach ihr.
6
D er Tag verstrich quälend langsam. Immer wieder stürzte Mera ans Fenster, in der verzweifelten Hoffnung, ihre Befürchtungen würden sich als haltlos erweisen und die Großmutter wieder zurückkommen. Schließlich war Torrix ein großer Magier, und jemand wie ihn konnte man doch nicht so einfach gefangen nehmen. Doch die Stunden vergingen, ohne dass irgendetwas geschah. Es hatte sich allerdings rasch herumgesprochen, dass Merala entführt worden war, und daher kamen an diesem Tag erneut mehr Gäste in den »Blauen Fisch« als gewöhnlich. Alle streiften den leeren Hocker in der Ecke mit neugierigen oder verunsicherten Blicken, und wenn sie sich unterhielten, klangen ihre Stimmen schrill vor Angst.
Mera, die den Männern schweigend zuhörte, fragte sich, wie sich die Welt innerhalb eines Tages so hatte verändern können. Vor dem Überfall auf die Fischerflotte hatten sich die Männer zumeist darüber unterhalten, wie die Fischschwärme zogen und wo sie auf reichen Fang hoffen konnten. Jetzt aber sprachen sie nur über Gurrland und malten das Elend an die Wand, welches die monströsen Bewohner der großen Insel über die Welt bringen würden.
Eben ballte einer der Männer seine Hände zu Fäusten. »Wir können und dürfen uns nur auf uns selbst verlassen. Wenn wirdem Feind mutig entgegentreten, werden wir ihn auch schlagen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass er hier auf Ilyndhir keine Hilfe bekommt.«
Hannez schüttelte verblüfft den Kopf. »Wer sollte hier denn ausgerechnet den Gurrländern helfen?«
»Alle, die aus dem Süden gekommen sind und in deren Adern Gurrlandblut fließt! Sie sind nicht ganz richtig im Kopf, versteht ihr! Wenn der Feuerthron sie ruft, werden sie ihm gehorchen.«
»Das glaubst du doch selbst nicht!«, spottete Hannez.
»Oh doch! Wir sollten alle Flüchtlinge, die sich am Rand der Vorstadt angesiedelt haben, einsperren, damit sie uns nicht schaden können. Noch besser aber wäre es, wir würden sie alle ...« Der Mann sprach das Wort nicht aus, doch seine Geste besagte genug.
Obwohl Hannez sich für die Flüchtlinge, die ein armseliges Leben als Schwammtaucher und Muschelsammler führten, einsetzte und zu Recht einwandte, dass nur wenige von ihnen mit den hässlichen Gurrländern verwandt sein konnten, sahen nun auch die anderen Gäste in diesen Leuten eine Gefahr.
Mera war fassungslos. Die meisten Männer, die gegen die Girdanier hetzten, kannte sie seit ihrer Kindheit. Es waren ehrliche Fischer, die mit den hochnäsigen Leuten von jenseits des Flusses wenig gemein hatten und bisher freundlich zu den Flüchtlingen aus dem Süden gewesen waren. Nun aber redeten sie so, als seien alle Girdanier
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