Der Feuerthron
gehe zu meinen Leuten.«
Wütend fuhr Mera ihn an. »Wir sind deine Leute! Und wir lassen dich nicht im Stich!«
Im selben Augenblick klopfte es draußen. Die drei zuckten zusammen, und Meraneh machte eine Bewegung, als wolle sie den Jungen hinter dem Schanktisch verbergen. Doch es war nur Hannez. Der Fischer schloss die Tür hinter sich und verriegelte sie. »Schnell! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich muss den Jungen von hier wegbringen. Ein paar der Idioten haben den Soldaten von ihm erzählt, und die sind schon unterwegs.«
Die Wirtin rang die Hände. »Aber was willst du tun?«
»Erst einmal muss er aus der Stadt. Danach können wir uns immer noch überlegen, ob ich ihn nach Teren oder Wardania hinüberschaffe.«
Mera schüttelte den Kopf. »Die beiden Inseln gehören zu Königin Ilnas Reich. Die Leute dort werden Girdhan ebenfalls gefangen nehmen und einsperren.«
»Nach Gurrland kann ich ihn ja schlecht bringen«, entgegneteHannez bissig und fasste nach Girdhans Arm. »Komm mit! Aufs Meer hinaus können wir jetzt noch nicht fahren, da die Flotte die Einfahrt zur Bucht abgesperrt hat. Auf dem Land müssen wir jedoch die Hunde fürchten. Daher werde ich dich das erste Stück tragen müssen.«
Er wollte Girdhan hochheben, sah dann aber Meraneh an. »Hast du eine Decke, in die ich ihn einwickeln kann? Es darf keiner sehen, dass ich ihn fortbringe.«
Bevor die Wirtin reagieren konnte, lief Mera schon los, um das Verlangte zu holen. Sie riss eine alte Decke herunter, die nur noch dazu diente, den Staub von Körben und Flaschen abzuhalten, und brachte sie Hannez. »Nimm die hier.«
Der Fischer wickelte Girdhan in die Decke und wuchtete ihn sich wie einen Sack über die Schulter.
Da schrie Mera auf. »Bei der Blauen Göttin! Girdhan hat ja noch Timpo in seinem Hemd stecken.«
Sie wollte die Decke beiseiteschieben, aber Hannez wehrte sie ab. »Dazu ist keine Zeit mehr! Hörst du nicht die Soldaten kommen? Wir müssen den Hintereingang nehmen.«
»Ich mach dir die Tür auf!« Mera rannte voraus, während ihre Mutter im Raum stehen blieb und Hannez besorgt anblickte. »Bitte gib auf dich und den Jungen acht!«
»Keine Sorge, Unkraut vergeht nicht!« Hannez gelang es sogar zu lachen. Er zwinkerte der Wirtin zu, sagte ihr noch, sie solle die Vordertür wieder öffnen und die Soldaten so lange aufhalten, wie es ihr möglich wäre, dann folgte er Mera auf den Flur. Der Junge war nicht gerade leicht, doch Hannez war ein kräftiger Mann mittleren Alters, der sein Fischerboot durch die schwierigsten Passagen gesteuert hatte. Ihm machte weder die Last etwas aus noch der Gedanke, dass er eben gegen einen offiziellen Befehl der Königin verstieß.
Mera öffnete die Hintertür und steckte vorsichtig den Kopf hinaus. »Die Luft ist rein«, meldete sie, als sie niemand sah. Dannschlüpfte sie hinaus und lief bis zur nächsten Straßenecke. Da sie auch hier keinen Menschen entdeckte, winkte sie Hannez eifrig zu weiterzugehen.
Während sie die Fachwerkhäuser der Fischervorstadt hinter sich ließen, war Hannez froh, dass ihr Sechstel im Gegensatz zu den Stadtteilen jenseits des Flusses nicht von Mauern umgeben war. Zwar würden die Bewohner, wenn die Gurrländer anrückten, ihre Häuser zurücklassen und über die alte Brücke in die ummauerte Stadt fliehen müssen. Dafür aber konnte er Girdhan ungehindert durch das mit Buschwerk bewachsene Gebiet tragen, das sich im Süden der Siedlung erstreckte. Das Gestrüpp bot genug Deckung, um sie vor zufälligen Blicken zu verbergen, und er hatte genau wie Mera die Hoffnung, den Suchtrupps ein Schnippchen schlagen zu können.
Bislang hatte Mera sich keine Gedanken gemacht, an welchen Ort Hannez Girdhan bringen wollte. Doch als er den Jungen in der Deckung eines Gebüsches absetzte, um zu verschnaufen, zupfte sie den Fischer am Ärmel.
»Wo gehen wir hin?«
Hannez wurde klar, dass Girdhan in allen Dörfern in der Umgebung der Hauptstadt Gefahr lief, von den Bütteln aufgespürt und eingefangen zu werden. Er wollte jedoch nicht sagen, dass er keinen Rat wusste, und blickte unwillkürlich nach Süden. Dort ging das wilde Buschland in einen wundervoll blau schimmernden Wald über, der so stark leuchtete, dass Hannez die Augen sofort wieder abwenden musste.
Dennoch wusste der Fischer nun, was er zu tun hatte. »Ich bringe Girdhan in den Hexenwald. Dort sucht ihn gewiss keiner!«
»Was?« Es war ein Aufschrei aus zwei Kehlen. Girdhan zitterte bei dem Gedanken an den
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