Der Feuerthron
Beute wieder auftauchten. Es war eine harte Arbeit, aber die einzige, welche den Flüchtlingen aus dem Süden erlaubt worden war.
Mera fand, dass man diese armen Menschen besser hätte behandeln sollen, und fragte sich, wie man nun mit ihnen verfahren würde. Sie beobachtete, wie die Soldaten die aus Erde, Schilf und Treibholz errichteten Hütten der Flüchtlinge umstellten. Ein Offizier rief den Leuten auf dem Wasser zu, ans Ufer zu kommen, und nun tauchten mehrere Kriegsschiffe auf und versperrten den Booten den Weg aufs freie Meer.
Aber ohnehin schien niemand an Flucht zu denken. Mehr verwundert als verängstigt ruderten die Menschen ans Ufer, während die übrigen Bewohner des Flüchtlingsdorfes ihre Häuser verließen und sich um den Offizier scharten. Dem schien nicht gerade wohl dabei zu sein, denn er gab seinen Männern einen Befehl, die Menge mit quer gehaltenen Speerschäften zurückzudrängen.
Erst als er sich sicher fühlte, holte der Offizier ein Schriftstück hervor, entfaltete es umständlich und las es erst einmal stumm durch, bevor er seinen Inhalt verkündete.
»Im Namen Ihrer allererhabensten Majestät Ilna V., Königin von Ilyndhir und Herrin der Nördlichen Inseln, ergeht folgender Befehl: Alle Flüchtlinge aus dem Süden haben sich umgehend an einen Ort im Binnenland zu begeben, an dem sie unter der Aufsicht der Beamten Ihrer Majestät leben und zum Wohle des Reiches arbeiten werden.«
»Aber das könnt ihr nicht machen! Wir sind Leute vom Meer. Wovon sollen wir denn leben, wenn wir hier nicht mehr tauchen können?«, rief eine der Frauen, der das nasse Hemd am Körper klebte.
»Ihr werdet Arbeit und Brot erhalten«, erklärte der Offizier.
Einer der Männer aus dem »Blauen Fisch«, die hinter Mera hergekommen waren, spie ärgerlich aus. »Sie sollten das Pack ersäufen, dann sind wir es los. So müssen wir die Gurrlandbastarde auch noch ernähren.«
Hannez fuhr ärgerlich herum. »Schäm dich, und das gleich doppelt! Immerhin hat diese Taucherin dort dir vor ein paar Monatengeholfen, als dein Boot kurz vor der Hafeneinfahrt zu kentern drohte.«
Mera klatschte ihm in Gedanken Beifall. So übel war Hannez wirklich nicht. Natürlich war es ihr nicht recht, dass ihre Mutter sich etwas aus ihm machte, doch von den Männern, die im »Blauen Fisch« einkehrten, war er der Sympathischste. Trotzdem, auch Hannez würde ihr nicht helfen können, Girdhan vor der Verschleppung in dieses Lager zu bewahren. Zwar war der Junge hier aufgewachsen, aber schon bald würde jemand daran erinnern, dass auch er zu den Flüchtlingen zählte.
Kurz entschlossen stieg sie über einige von der Brandung glatt gewaschene Felsen, umging die Soldaten im weiten Bogen und lief dann, so schnell sie konnte, zum »Blauen Fisch« zurück.
7
B is auf die Wirtin und Girdhan, der den widerstrebenden Timpo auf dem Arm hielt, war die Gaststube leer. Mera packte den Jungen am Arm und zeigte nach draußen. »Du musst fort, sonst kommen sie dich holen!«, rief sie ganz außer Atem.
»Jetzt beruhige dich erst einmal!«, befahl Meraneh ihrer Tochter. »Was ist eigentlich los, und warum soll Girdhan fort?«
Nach ein paar hastigen Atemzügen sprudelte es aus Mera heraus, und sie berichtete, was sie gerade erlebt hatte. Als ihre Mutter erfuhr, dass alle Flüchtlinge deportiert werden sollten, wurde sie bleich. Mit einem unverständlichen Ausruf fasste sie Girdhan mit der Linken um die Schulter und zog ihn zu sich heran, während sie Mera rechts an sich drückte.
»Ich habe dich aufgezogen wie ein eigenes Kind und überlasse dich nicht irgendwelchen hochnäsigen Beamten!«
Mera spürte, wie sie zitterte. Sie wusste genauso gut wie ihre Mutter, dass sie Girdhan nicht schützen konnten. Wenn die Soldaten durch die Tür kamen, würden sie ihn mitnehmen.
»Wenn ich nur wüsste, was wir tun sollen«, flüsterte Meraneh mutlos.
»Girdhan muss weg, bevor sie ihn finden! Irgendwo wird es wohl ein Versteck für ihn geben. Ich suche nur schnell ein paar Vorräte zusammen.« Mera wollte schon loslaufen, um einige Sachen für ihn einzupacken, doch die Mutter hielt sie fest.
»Das stellst du dir ein wenig zu einfach vor. Wenn man Girdhan irgendwo entdeckt, wird er gejagt wie ein gefährliches Tier. Hier sind doch alle verrückt geworden! Vor zwei Tagen wussten die meisten nicht einmal, wo Gurrland liegt, und nun reden sie von nichts anderem.«
Girdhan ließ den Kopf hängen. »Deine Mutter hat recht! Ich habe keine Chance. Am besten, ich
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