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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Räuber und Mörder, die jedem Ilyndhirer nachts die Kehle durchschneiden wollten.
    Am meisten erschreckte es Mera, dass die Fischer bereit waren, mit Gewalt über die Leute im Flüchtlingslager herzufallen. Wenn sie das taten, würden sie auch Girdhan nicht am Leben lassen. Am Vorabend hatte der unsägliche Berrell den Jungen schlecht behandelt, und schon morgen würden wohl auch die Männer, denen er mit einem freundlichen Gruß das Bier hinstellte, ihn für ihren schlimmsten Feind halten. Dabei war Girdhan mit Sicherheit keiner, der dem Kaiser von Gurrland gehorchen würde. Immerhinwar seine Mutter an einer eitrigen Wunde gestorben, die ein Gurrländer ihr auf Girdania zugefügt hatte, und ihr Kind war genauso aufgewachsen wie jeder andere Junge in Ilyndhir.
    Voller Zorn darüber, dass die Männer so dumm daherredeten, schenkte Mera ihnen die Krüge schlechter ein als sonst, doch die Gäste waren so in ihre düsteren Gedanken verstrickt, dass sie es nicht einmal bemerkten. Sie musste an diesem Abend auch Girdhans Arbeit übernehmen, die vollen Krüge austeilen und die leeren wieder einsammeln, denn er traute sich nicht in die Gaststube. Als sie ein paar Näpfe mit Fischsuppe aus der Küche holte, sah sie ihn verängstigt am Herd stehen und ihrer Mutter helfen.
    »Die da draußen sind alle krank im Kopf«, schimpfte Mera, während sie das volle Tablett entgegennahm.
    »Die Männer haben einfach nur Angst«, sagte Girdhan so leise, als fürchte er, draußen gehört zu werden.
    Mera schüttelte den Kopf über seine Gutmütigkeit. Anstatt die Fischer als das zu bezeichnen, was sie in ihren Augen waren, nämlich verblendete Trottel, verteidigte er sie auch noch. Zutiefst angewidert trug sie das Essen in den Gastraum. Doch zum ersten Mal in der Geschichte des »Blauen Fischs« interessierte sich niemand für Suppe und gebratenen Fisch. Es war, als hätten die Furcht und der Schrecken, die Gurrland verbreitet hatte, tausend Jahre lang nur geschlafen und seien nun von Neuem erwacht.
    Selbst Hannez blieb nicht ganz von diesem Fieber verschont. Doch Mera rechnete es ihm hoch an, dass er sich gegen die Vorschläge der anderen stemmte, sofort zum Flüchtlingslager zu gehen und dort alles kurz und klein zu schlagen.
    »Damit erreichen wir rein gar nichts, Leute. Sind diese Menschen wirklich, wie ihr behauptet, von Gurrland geschickt worden, werden die Behörden Ihrer Majestät sich um sie kümmern und sie einsperren, wenn es nötig sein sollte. Sind sie aber ehrliche Flüchtlinge, die Gurrland den Rücken gekehrt haben, würden wir uns wertvolle Verbündete zu Feinden machen.«
    »Da hast du schon recht, Hannez! Trotzdem müssen wir das Gesindel wegjagen!« Der Sprecher sah sich um und forderte die übrigen Gäste auf, mit ihm zu kommen.
    Mera stellte sich den Männern mit erhobenem Besen in den Weg. »Ich kann euch nicht daran hindern, zu gehen, aber vorher werdet ihr eure Zeche bezahlen. Anschreiben tue ich nichts!«
    »Tapferes Mädchen!«, flüsterte Hannez ihr zu. Die anderen sahen jedoch so aus, als wollten sie Mera einfach beiseiteschieben.
    Da hörten sie draußen einen scharfen Befehl und vernahmen den festen Tritt vieler Männer. Mera riss die Tür auf und sah einen Trupp königlicher Gardisten die Straße entlangkommen. Zunächst glaubte sie, die Gruppe hätte den »Blauen Fisch« zum Ziel, doch die Soldaten bogen an der letzten Kreuzung ab und marschierten in Richtung des Flüchtlingslagers.
    In dem Augenblick war alles andere vergessen. Mera schlüpfte noch mit dem Besen in der Hand zur Tür hinaus und lief hinter den Gardisten her. Diesmal trugen sie keine blauen Schärpen und versilberte Hellebarden, sondern Speere mit Stahlspitzen, und etliche Krieger schleppten Seile mit.
    Gerade überquerten sie den Fischmarkt, auf dem nur noch ein paar abgeschnittene Fischköpfe herumlagen, um die sich magere Katzen balgten. Hinter dem Marktplatz wurden die Häuser immer kleiner, und zuletzt kamen die Gardisten an den niedrigen Hütten vorbei, in denen Ilynrahs ärmste Bewohner lebten: Männer, die nicht mehr in der Lage waren, aufs Meer hinauszufahren, oder Witwen und Kinder, deren Ehemänner und Väter auf See geblieben waren. Nicht weit dahinter tauchte das Meer auf, das im nimmermüden Rhythmus gegen das felsige Ufer klatschte. Einzelne Boote und Flöße schwammen in der kleinen Bucht, und man konnte Männer und Frauen sehen, die in das Wasser hineinsprangen, um nach Muscheln und Schwämmen zu tauchen, oder die mit ihrer

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