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172 - Der Spinnenfürst

172 - Der Spinnenfürst

Titel: 172 - Der Spinnenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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Immer wenn es ihn überkam, mußte er sein Haus verlassen und sich auf die Jagd begeben. Er schlug stets planlos zu, bereitete sich nicht erst lange darauf vor.
    Sein Verstand hakte jedesmal dabei aus, er überlegte nicht, sondern handelte. Er brauchte nur seinem Trieb zu gehorchen.
    So war er bis heute zu sechs Opfern gekommen – jungen, lebenslustigen Mädchen, die eben erst aufgeblüht waren. Er hatte diese schönen Blumen des Lebens brutal geknickt, und weil er so unberechenbar war, tappte die Polizei nach wie vor im dunkeln.
    Auch Leon Hogg hatte die ständigen Radiowarnungen vernommen:
    »Glatteisgefahr auf allen Straßen! Die Fahrzeuglenker werden gebeten, mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren! Unnötige Fahrten sollte man unterlassen!«
    Nun, Leon Hoggs Fahrt war nicht unnötig gewesen, sie mußte sein, war für sein Wohlbefinden ungemein wichtig.
    Auch er hätte beinahe einen Unfall verschuldet, als er in einer Kurve auf die rechte Fahrbahnseite rutschte. Wäre das Fahrzeug, das ihm entgegenkam, nicht mit Spikesreifen ausgerüstet gewesen, hätte es unweigerlich gekracht.
    Vielleicht hätte der Unfall ihn wachgerüttelt und von seinem Vorhaben abgebracht, aber er blieb aus, sein Wagen rutschte auf die linke Straßenseite zurück, und er setzte die Fahrt fort.
    Und seit einigen Minuten war er zu Fuß unterwegs – ein großer, kräftiger Mann mit sehnigen Händen, die in schwarzen Lederhandschuhen steckten.
    Wie stets, wenn er auf der Jagd war, trug er einen schwarzen Umhang. So ein Kleidungsstück bekam man heutzutage nirgendwo mehr zu kaufen, deshalb hatte er es sich anfertigen lassen.
    Jack the Ripper war sein Vorbild, ihm eiferte er nach. Er hatte alles über diesen gefürchteten Mörder, der nie gefaßt wurde, gelesen und wollte ebenso bekannt werden wie dieser Mann.
    Der Ripper hatte sich seine Opfer unter den Prostituierten gesucht. Leon Hogg legte sich diesbezüglich nicht fest. Ihm war jedes Mädchen recht, wenn es nur jung und hübsch war.
    Er tötete auch nicht mit einem Messer, sondern mit den Händen, und ihm war dabei jedesmal, als würde das Leben und die Energie des Opfers auf ihn übergehen.
    Er bildete sich sogar ein, den Alterungsprozeß damit aufhalten zu können. Er glaubte allen Ernstes, nicht mehr zu altern, wenn er immer weiter mordete.
    Sechs Mädchen waren schon in seinen Händen gestorben, und in dieser Nacht sollte Nummer sieben drankommen. Allein der Gedanke an die bevorstehende Tat ließ Hoggs Hände unkontrolliert zucken.
    Der Vorort, den er heimgesucht hatte, hieß Barnet und lag im Norden der Stadt. Kleine und mittelgroße Backsteinhäuser, gepflegte Vorgärten, stille Alleen – das zeichnete Barnet aus.
    Es war bisher ein Ort des Friedens gewesen, in dem die Polizei nicht viel zu tun hatte. Friedliebende Menschen lebten hier.
    Sie fuhren am Morgen hinein in die Stadt, entweder mit dem Bus, mit der Bahn oder mit dem Auto, und kehrten am Abend in ihre Idylle am Rand von London zurück.
    Es gab kaum Pubs, nur ein einziges Kino, und die Discothek hatte wegen permanenten Besucherschwunds vor einem halben Jahr ihre Pforten geschlossen.
    Drinnen in der City, dort, wo das Leben kochte, pulsierte und brodelte, rümpfte man die Nase, wenn von Barnet die Rede war, denn dort – das war allgemein bekannt – sagten sich die Füchse gute Nacht.
    Dennoch war Leon Hogg hier. Barnet sollte durch ihn traurige Berühmtheit erlangen. Alle Zeitungen würden über seinen Mord berichten, und auch er würde darüber aufmerksam und interessiert lesen, ohne von irgendwelchen Schuldgefühlen geplagt zu werden. Ihm würde es so vorkommen, als hätte den Mord jemand anderer verübt. Trotzdem würde er aber auch wissen, daß er es getan hatte. Der menschliche Geist kann unter den verschiedensten Krankheitsformen leiden – wobei das Wort leiden bei Leon Hogg nicht ganz zutreffend war, weil er nämlich überhaupt nicht litt.
    Wie ein unheimlicher schwarzer Schatten ging er von Haus zu Haus und warf unbemerkt einen Blick hinein. Erhellte Fenster zogen ihn magisch an.
    Er beobachtete die Menschen in ihrer häuslichen Umgebung – Frauen, die strickten oder ihren Geist an einem Kreuzworträtsel erprobten, Männer, die in Pantoffeln die Zeitung lasen, rauchten, ein Bier vor sich stehen hatten.
    In den meisten Häusern war das Fernsehgerät eingeschaltet, doch nicht immer wurde das Gezeigte mit ungeteilter Aufmerksamkeit verfolgt. Manchmal hatte Hogg den Eindruck, das TV-Gerät würde als zusätzliches

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