Der Feuerthron
von Runia diesen gestürzt hatten.«
»Weibergeschwätz!«, brummte Kip, dem seine Version weitaus besser gefiel.
4
Am Abend gab es wieder Wurstbrote, und während sie mit vollen Backen kauend in die Nacht hinausfuhren, bestimmte Kip die Reihenfolge, in der sie am Ruder sitzen mussten. Allerdings war er der Einzige, der anhand der Sterne die Zeit bestimmen konnte. Aber nach kurzem Überlegen fand er eine Lösung für dieses Problem.
»Ihr beide legt euch erst einmal hin und schlaft. Nach drei Stunden wecke ich Girdhan. Er wird so lange am Steuer bleiben, bis der Grünmond über dem Horizont aufsteigt, und dann muss Mera die Ruderwache übernehmen.«
»Muss es wirklich beim Aufgang des Dämonenmondes geschehen? Das ist ein schlechtes Omen!« Wie die meisten Bewohner Ilyndhirs mochte Mera den grün schimmernden der sechs Monde nicht. Er war der kleinste, strahlte aber nach Ansicht vieler Leute etwas Böses aus. Von den Menschen der Inselwelt waren allerdings nur die Ilyndhirer und die mit ihnen verwandten Wardanier dieser Meinung, denn in Teren achteten die Bewohner nicht auf die angeblich schlechten Eigenschaften des Grünmondes, und für die Malvoner galt er sogar als Glückssymbol. Das versuchte Kip Mera klarzumachen, doch sie schüttelte nur störrisch den Kopf.
»Ich bin aber kein Mädchen aus Teren oder Malvone. Für mich ist dieser Mond schlecht, und ich will unser Schicksal nicht mit ihm verbinden.«
Bevor Kip sie verärgert anfahren konnte, griff Girdhan ein. »Wenn Mera es so sieht, sollten wir auf ihre Gefühle Rücksicht nehmen. Ich werde einfach ein wenig länger wachen, so dass sie nicht beim Erscheinen des Grünmondes aufstehen muss.«
»Von mir aus! Aber eines muss ich sagen: Wir Fischer sind nicht so abergläubisch wie diese Landratte.« Kip vergaß dabei, dass in seiner Hosentasche drei ganz spezielle Muscheln steckten, ohne dieein Fischer niemals aufs Meer hinausfuhr. Er klopfte dreimal gegen das Holz der Reling, damit in der Nacht auch alles so klappte, wie er es sich erhoffte, und befahl seinen Matrosen dann, ins Bett zu gehen.
»Ich hoffe, du singst nicht wieder«, spöttelte Mera, die sich auf einmal sehr müde fühlte. Sie strich Fleckchen über den Kopf, hob dann Timpo auf, der zwischen ihren Füßen herumwuselte, und betrat die Kajüte.
Sofort steckte sie den Kopf wieder zur Tür heraus. »Wir haben ein Problem: Nur eines der Betten besitzt eine Matratze.«
»Das ist nicht so schlimm. Kip und mir reicht eine Decke«, antwortete Girdhan.
Kip überlegte, ob er seinen Rang als Kapitän ausspielen und dieses Bett für sich beanspruchen sollte, ließ es aber sein. Mädchen waren, wie alle wussten, eine ganz eigene Sorte von Mensch. Sie quietschten, wenn sie dreckig wurden, und ekelten sich davor, auf blankem Boden zu schlafen. Ganz zufrieden damit, ein Junge zu sein, verzichtete er auf sein Matratzen-Bett und nickte Girdhan zu. »Stimmt genau. Wir beide sind harte Männer und halten das aus!«
»Danke! Ich freue mich, dass ihr solche Kavaliere seid.« Mera lächelte zufrieden und ließ sich auf den dicken, weichen Tangsack sinken. Timpo kletterte neben sie und rollte sich über ihrer Schulter zusammen, während Fleckchen es sich auf ihren Unterschenkeln bequem machte. Erst nach ein paar Stupsern mit dem Fuß gab die Hündin den warmen Platz auf und legte sich unter das Bett.
Girdhan holte sich eine Decke aus der Kajüte und breitete sie draußen aus. »Ich möchte die Sterne sehen, wenn ich aufwache«, sagte er zu Kip, als dieser ihn fragend ansah. Danach wurde es still auf dem Boot. Man konnte nur noch das Klatschen des Wassers gegen den Rumpf und den Wind in der Takelage hören. Von Zeit zu Zeit erscholl irgendwo in der Ferne der Schrei eines Sturmvogels.
Obwohl Kip wusste, dass sie sich auf der Flucht befanden undüberall Gefahr drohen konnte, fühlte er sich am Steuer seiner »Seeschäumer« so glücklich wie selten zuvor. Er hätte vor Freude singen können und öffnete auch schon den Mund, als ihm einfiel, dass er damit seine Freunde wecken würde. So schloss er mit einem hörbaren Plopp den Mund und hing stumm seinen Gedanken nach.
Es gefiel ihm, die erste Fahrt mit Mera und Girdhan zu unternehmen. Die beiden waren nicht nur seine besten, sondern auch seine ältesten Freunde. Natürlich hatte er eine Reihe anderer Freunde unter den Fischerjungen, doch mit keinem von ihnen hatte er so viel Zeit verbracht wie mit den beiden. Er dachte an die vielen Teller Fischsuppe, die er in
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