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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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der Küche oder in Girdhans Schlafkammer hatte essen dürfen, und an die tollen Abenteuer, die sie gemeinsam erlebt hatten. Stundenlang waren sie durch die Fischervorstadt und das Umland gestreift, hatten gemeinsam Fische gefangen und gebraten und jede Gelegenheit genutzt, um im Fluss oder in der Meeresbucht zu schwimmen. Andere Mädchen hatten sich geziert, doch Mera war genau wie sie von den Felsen in die Brandung gesprungen und in den Wellen herumgehüpft.
    Während die Nacht voranschritt und die Sterne ihre Bahn zogen, wanderten Kips Gedanken durch jene unbeschwerte Zeit, die ihm nun sehr, sehr fern erschien. Kurz bevor er Girdhan wecken wollte, kontrollierte er noch einmal das Segel. Da traf ein heftiger Stoß das Boot. Er stürzte zu Boden, hörte gleichzeitig ein Knirschen und fühlte, wie der Rumpf sich hob.
    Fleckchen begann zu winseln und kratzte an der Tür der Kajüte. Fast im selben Augenblick schreckte Girdhan hoch. »Was ist los?«
    Kip hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt und war zur Steuerpinne zurückgekehrt. Obwohl er diese aufgeregt hin und her bewegte, änderte sich der Kurs des Bootes um keinen Deut.
    »Wenn ich nicht wüsste, dass es hier draußen keine Inseln gibt, würde ich sagen, wir sind irgendwo aufgelaufen!«, rief er und erinnerte sich gleichzeitig an die Geschichten von Seeungeheuern, dieer als Kind gehört hatte. Er sah schon den sagenhaften zwölfarmigen Riesenkalmar auftauchen und sein Boot verschlingen und hätte seine Angst am liebsten laut hinausgeschrien. Da Mera, die gerade aus der Kajüte trat, und Girdhan sich nur stumm und eher verwundert umsahen, zwang auch er sich zur Ruhe.
    »Übernimm du das Steuer, Girdhan! Dann werde ich nachsehen, was los ist. Du, Mera, schaust in der Kajüte nach, ob du die Laterne finden und anzünden kannst!«
    »Da ist etwas Großes, Dunkles im Wasser«, flüsterte das Mädchen ängstlich.
    Kip schluckte, drückte aber Girdhan die Pinne in die Hand und lief dorthin, wo Mera stand. Jetzt sah er es selbst. Etwas, das weitaus größer war als die »Seeschäumer«, hatte sich unter das Boot geschoben und hielt es fest.
    »Ist es ein Ungeheuer?« Noch während sie es sagte, trat Mera zurück, um nicht von Fangarmen oder Ähnlichem erwischt zu werden.
    Auch Kip wurde ganz flau im Magen. »Mach Licht!«, flehte er, während er ebenfalls zurückwich.
    Mera stürzte in die Kajüte und durchsuchte sie, bis sie die unter ihrem Bett liegende Laterne fand. Stahl, Feuerstein und Zündbüchse lagen daneben. Mit zitternden Händen machte sie alles zurecht und schlug einen Funken. Dieser fiel genau in die Zündbüchse und entflammte das Pulver, das sich darin befand. Mera brauchte nicht einmal einen Fidibus, um die Laterne anzuzünden. Kaum erhellte der Docht den kleinen Raum, verschloss sie die Zündbüchse wieder, damit das Feuer darin erstickte, und eilte ins Freie.
    Kip riss ihr die Laterne aus der Hand und hielt sie über die Reling. Doch als er vorsichtig nachschaute, entdeckte er kein schreckliches Ungeheuer, sondern ein im Wasser treibendes Wrack, auf dem die »Seeschäumer« festhing.
    »Was ist das?« Auch Mera hatte einen Blick riskiert und sah nun Kip fassungslos an.
    »Das ist ein verdammt großer Pott. Mindestens viermal so lang wie unser Boot und um einiges breiter. Er kann noch nicht lange so herumschwimmen, denn er hat noch keine Algen angesetzt. Ich würde sagen, der ist allerhöchstens vor einer Woche versenkt worden.«
    »Ist es einer der Unseren?« In dem Augenblick fühlte Girdhan sich wieder ganz als Ilyndhirer.
    Kip betrachtete das Wrack genauer und schüttelte den Kopf. »Nö, der kommt nicht von unseren Inseln. Nach der Bauweise ist es ein Ardhunier. Wie ihr wahrscheinlich wisst, haben sich Teile der ardhunischen Flotte und einige Truppen nach Gelonda zurückgezogen und helfen den Bewohnern im Kampf gegen die Gurrländer. Den hier hat es dabei wohl erwischt. Arme Kerle!«
    Mera schüttelte sich bei seinem Tonfall. »Aber wie kommen wir von diesem Ding wieder herunter, und warum ist er nicht untergegangen?«
    »Das sind zwei Fragen auf einmal. Die zweite kann ich dir leichter beantworten. Siehst du das große Loch dort im Rumpf?«
    Kip hob die Laterne höher, damit Mera erkennen konnte, was er meinte. »Dort hat ein Rammsporn das Schiff getroffen. Dabei dürfte der meiste Ballast über Bord gegangen sein, und da das Schiff aus Holz besteht, ist es nicht auf den Meeresgrund gesunken, sondern treibt knapp unter der Wasseroberfläche

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