Der Feuerthron
ja ein Mädchen!« Mera setzte sich demonstrativ auf die Bordwandkante und quiekte im nächsten Augenblick auf, da Kip ganz kurz am Steuer riss. Das Boot machte einen Schlenker, und Mera verlor beinahe das Gleichgewicht. Sie konnte sich gerade noch festhalten, sonst wäre sie ins Wasser gefallen.
»Das war gemein von dir!«, schimpfte sie empört.
»Keine Sorge! Wir hätten dich schon wieder herausgeholt.« Kip grinste noch immer wie ein Honigkuchenpferd und stimmte wieder das Lied von den ilyndhirischen Seeleuten an.
»Kannst du nichts anderes singen?«, fragte Mera. Doch ihr Freund schüttelte nur den Kopf und sang noch falscher als vorher.
»Du wolltest doch den Hund taufen«, stichelte Mera weiter.
»Iwo! Der Köter gehört dir. Also denk dir gefälligst selbst etwas aus. Ich brauche einen Namen für mein Schiff.« Kip stand auf, schob Girdhan auf die Bank und legte seine Hand auf die Pinne.
»Ich ernenne dich zum Steuermann meines Schiffes, denn ich muss jetzt erst einmal überlegen, ob mir ein guter Name einfällt.«
»Sag bloß, du hast dir darüber noch keine Gedanken gemacht?«, fragte Girdhan.
Kip grinste etwas verlegen. »Doch, das schon. Aber immer wennich einen guten Namen hatte, hat die königliche Marine gemeinerweise ein eigenes Schiff so benannt.«
»Also, bei dem Hund tu ich mich leichter. Ich stelle mich jetzt an den Bug und nenne ein paar Namen. Den, bei dem er zu mir kommt, verpasse ich ihm dann.« Mera setzte ihre Idee sogleich in die Tat um, doch sie hatte noch kein Wort ausgesprochen, da drängte sich das Tier schon an sie.
Die beiden Jungen lachten über ihr fassungsloses Gesicht, und Kip meinte, dass es wohl doch nicht so leicht sei, jemanden zu taufen.
»Noch ein Wort, und ich nenne ihn Kip II.!« Mera sah ärgerlich auf das gefleckte Tier herab, das ihr am hellen Tag weitaus kleiner erschien als in der Nacht und so treue blaue Augen besaß, dass sie nicht verstand, warum sie sich vor ihm gefürchtet hatte.
»Weißt du, ob es ein Rüde oder ein Weibchen ist?«, fragte Girdhan.
Mera schüttelte den Kopf und forderte dann den Hund auf, sich auf den Rücken zu legen. Das Tier glaubte wohl, sie wolle es kraulen, denn es wälzte sich begeistert auf den Planken. Nun konnte Mera sehen, dass es sich um eine Hündin handelte. »Wenigstens bin ich nicht das einzige Mädchen auf diesem Kahn!« Mera schöpfte ein wenig Meerwasser und goss es dem Tier über den graublau gefleckten Schädel.
»Dein Name ist ab sofort Fleckchen, verstanden!«
Fleckchen nickte wie ein Mensch und versuchte dann an Meras Hand zu gelangen, um zu trinken.
»Gib ihr kein Salzwasser zu saufen, sonst kommt sie vor Durst um!«, warnte Kip gerade noch rechtzeitig. Mera wischte sich die nassen Hände rasch am Kleid ab und kehrte dann mit Fleckchen zur Kajüte zurück. Dort suchte sie so lange, bis sie einen alten, rissigen Holznapf fand, und goss Fleckchen ein wenig Trinkwasser ein.
»Nicht zu viel! Es muss für die ganze Fahrt reichen«, mahnte Kipund sah dann Girdhan an. »Wir haben ein Problem! Die Vorräte sind nur für zwei Personen und höchstens zehn Tage gedacht. Aber jetzt sind wir zu dritt und haben auch noch diesen Köter dabei.«
»Fleckchen ist kein Köter«, empörte sich Mera, die die Hündin gerade kraulte. Das gefiel aber Timpo nicht, denn er lief auf Mera zu, kletterte an ihr hoch und zeigte Fleckchen seine scharfen Nagerzähne. Der Blick, mit dem er Mera maß, besagte, dass nun er gekrault werden wollte. Zum Glück hatte sie zwei Hände und konnte beide Tiere zufriedenstellen.
Während sie mit Kraulen beschäftigt war, ging Kip einmal um die Kajüte herum und rieb sich dabei mit dem rechten Zeigefinger die Nase. »Jetzt hab ich’s!«, rief er plötzlich und stellte sich ebenfalls an den Bug.
»Im Namen der Großen Blauen Göttin taufe ich dieses Schiff auf den Namen Seeschäumer!«
»Das ist aber ein komischer Name«, fand Mera.
»Immer noch besser als Fleckchen«, gab Kip zurück und streichelte nun seinerseits die Reling des Bootes.
»›Seeschäumer‹ hieß das Boot, mit dem die Zwillinge Ilna und Ward, die Kinder der Großen Blauen Göttin, zu Anbeginn der Welt auf diese Inseln kamen und die beiden Reiche Ilyndhir und Wardania gründeten«, erklärte der junge Fischer von oben herab.
Mera schüttelte den Kopf. »Laut meiner Großmutter sind unsere Ahnen vor etwas mehr als tausend Jahren als Sklaven des Herrn des Feuerthrons hierhergebracht worden und wurden erst frei, nachdem das Volk
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