Der Finanzer
Hund nicht heimtragen! Doch komme ich in Zivil des
Abends und hole den Flock! Seien Sie also so gut und pflegen Sie das Hundele bis zum Abend! Was bin ich für die Zeche
schuldig?«
»Ach, Sie kommen ja doch wieder! Ich will jetzt den kleinen Flock ins Bett legen und sein Läufle
verbinden!«
Und eilig trug Zenzi das Hündchen ins Haus hinein.
Irre an sich und dem Mädchen geworden, entfernte sich Anton.
In der Kaserne angelangt, wurde Anton mitgeteilt, daß der Respizient ihn zu sprechen wünsche. Und der Inhalt
der dienstlichen Unterhaltung war nicht eben erbaulich. Vorwürfe und immer wieder Vorwürfe über die
Ergebnislosigkeit der Streifungen. Der Vorgesetzte war bemüht dem Oberaufseher recht klar vor Augen zu führen,
daß die »Schlamperei im Dienst« ein Ende haben müsse, nur fügte er nicht bei, wie die
Änderung erzielt werden konnte. Dabei verfehlte der Respizient nicht, seine Würde wie seine unermüdliche
Tätigkeit zu betonen und den Rangunterschied fühlen zu lassen, der allerdings durchaus nicht bedeutend ist, denn
nach Ablauf der vorgeschriebenen Dienstjahre und bei guter Führung muß der Oberaufseher auch Respizient werden und
im Tagegeld vorrücken.
Die unerquickliche Szene endete mit der Mitteilung, daß Lergetbohrer am selben Abend Revisionsdienst im Hafen bei
Ankunft der fahrplanmäßigen Dampfer zu leisten habe.
Gern hätte Anton seinen Flock heimgeholt, doch die Zeit erlaubte das nicht. So stand der Oberaufseher denn am Eingang
der Revisionshalle, welche die Verbindung des Landungssteges mit dem Perron des Hafenbahnhofes bildet, und harrte der Ankunft
des Dampfers von Rorschach. Bleiern und dunstig lag der See, die Hitze war arg, von Abendkühle nichts zu merken.
Müde und schläfrig standen die anderen zum Revisionsdienst kommandierten Finanzer in der Halle, die geliebte
Pfeife vermissend, denn im Revisionsdienst darf nicht geraucht werden.
Aus der Dunstschicht, die über dem See lag, löste sich endlich der fällige Dampfer ab und näherte
sich, scheinbar im Schneckentempo, der Hafenstadt Bregenz.
Anton blieb am Halleneingang, bis der Dampfer festgemacht war und die Reisenden das Schiff zu verlassen sich anschickten.
Unwillkürlich blieb sein Blick auf einer hohen Frauengestalt haften, die in vornehmer Ruhe auf dem Verdeck erster Klasse
wartete, bis das Gedränge zum Landungssteg nachlassen werde. Die Dame trug einen festgeschlossenen Staubmantel, scheint
also gegen die tropische Hitze unempfindlich zu sein.
Schon treten die ersten Reisenden in die Halle und legen ihre Effekten auf die Revisionsrampe. Anton winkt den beiden
Aufsehern, die Amtshandlung ohne ihn vorzunehmen; ihn interessiert dienstlich jene Dame, die ohne Begleitung, auch ohne
Handgepäck endlich das Schiff verläßt und langsam, mit steifen Schritten, den Steg betritt.
In nächster Nähe Antons stehen einige jüngere Bregenzer Bürger, die zum Zeitvertreib und Feierabend
sich die Landung des Schweizer Schiffes ansehen. Einer davon murmelte mit unverkennbarem Spott: »Nomma! (ich weiß
nicht wie!) Isch das nit wieder'm Götzele sei Weible? A wech Weible! (wech = schmuck, zierlich, schön gekleidet.)
Aber en Gang hat sie schützli (gar sehr, überaus) steif!«
In der Tat rauschte die Dame ungemein steif heran und nahm sich gar nicht die Mühe, das Kleid aufzunehmen, sie zog
die Schleppe unbekümmert durch den Staub und hielt lässig den Sonnenschirm in der Rechten.
Lergetbohrer hatte jedes Wort vernommen und kombinierte blitzschnell: Gößele ist der erste Juwelier und
Goldschmied in der Stadt; die Frau fährt also des öfteren zwischen Österreich und der Schweiz hin und her.
Tatsächlich kommt die Dame auffallend steif heran. Anton läßt die Frau vorbeigehen, folgt ihr aber sofort.
Ohne Handgepäck braucht sie sich den Revisionsorganen nicht zu stellen; sie geht an ihnen vorüber und wendet sich
nun etwas hastig im Vergleich zur früheren Steifheit, dem nach der Stadt führenden Ausgang zu.
Lergetbohrer hat den plötzlichen Wechsel im Verhalten wahrgenommen; der Verdacht ist wachgerufen. Kaum noch hatte die
Dame den Ausgang erreicht, als der Oberaufseher auch schon an ihrer Seite stand und sie bat, gefälligst in die Kanzlei
sich bemühen zu wollen.
Das heftige Erschrecken, dann der Protest gegen die Anhaltung und Verdächtigung bestärkt Anton, auf der
Sistierung zu beharren.
Die Frau ruft um Hilfe, schwört, daß sie nichts Steuerbares an sich habe und zetert über
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