Der Findling
langte Findling auch erst am 27. Mai an, obgleich die Luftlinie zwischen hier und Waterford nur etwa dreißig Meilen mißt. Freilich war der Karren genöthigt gewesen, nach rechts und links vielfach vom geraden Wege abzuweichen.
Wexford ist ein Städtchen von zwölf-bis dreizehntausend Seelen. Es liegt am Flusse Sancy, nahe der Mündung desselben, und macht den Eindruck, als wäre eine kleine englische Stadt mitten in eine irische Grafschaft versetzt worden. Das kommt daher, daß Wexford der erste Waffenplatz war, den die Engländer hierzulande inne hatten, und der Ort hat dann, zur Stadt aufgewachsen, seine ursprüngliche Physiognomie beibehalten. Findling erstaunte nicht wenig, hier so viele Ruinen, verfallene Wälle und zerstörte Vertheidigungswerke zu sehen. Er kannte aber die Geschichte dieser Gegend zur Zeit Georgs III. nicht, wo hier, während der erbitterten Kämpfe zwischen Protestanten und Katholiken, schreckliche Metzeleien auf beiden Seiten, Feuersbrünste und Verwüstungen zur Tagesordnung gehörten. Vielleicht war es besser, daß er hiervon nichts wußte, denn es sind entsetzliche Erinnerungen, die auf so vielen Seiten der irischen Geschichte mit Blut geschrieben stehen. Das konnte er noch zeitig genug kennen lernen. wenn er dazu Muße hatte.
Von Wexford aus mußte sich der wohlausgestattete Wagen wieder von der Küste entfernen, die er erst fünfzehn Meilen weiter hin, in der Nähe des Hafens von Arklow, wieder treffen sollte. Das war, und zwar aus zwei Gründen, nicht zu bedauern.
Ersteas beherbergt dieser Theil der Grafschaft eine dichtere Bevölkerung und hat auch viel mehr Dörfer und Einzelgüter, wohl infolge der Bahnlinie, die Wexford über Arklow und Wicklow mit Dublin in Verbindung setzt.
Zweitens ist das Land hier ausnehmend schön. Der Weg verläuft durch üppige Wälder mit mächtigen Buchen und Eichen, darunter die im gaëlischen Lande so bemerkenswerthe schwarze Eiseneiche. Die Landschaft war von der Slaney, der Ovoca und deren Nebenflüssen ebenso reich bewässert, wie sie zur Zeit der religiösen Zwistigkeiten mit Blut begossen wurde. Und gerade dieser Theil des irischen Bodens, der an Schwefel und Kupfer so reich ist, auf den so viele Wasseradern von den nahen Bergen herabrieseln, die sogar etwas Gold führen – dieser besonders begünstigte Theil mußte zum Schauplatz der wildesten Kämpfe werden. Die Spuren davon erkennt man noch heute in Ennscarthy, in Ferns und in andern Orten bis nach Arklow hin, wo die Söldner des Königs Georg von dreißigtausend Rebellen – so nannte man die, die ihr Vaterland und ihren Glauben vertheidigten – aufs Haupt geschlagen wurden.
Zu einem Aufenthalt im Hafen von Arklow glaubte Findling seinem Personal – wenn man Birk als Person zählt – einen Rasttag aufnöthigen zu müssen.
Arklow mit fünftausend Einwohnern ist ein Fischerort mit regem Leben. Den Hafen schließen breite Sandbänke vom hohen Meere ab. Am Fuße mit grünen See-Eichen bedeckter Felsen werden hier viele Austern gefangen, die an Ort und Stelle natürlich billig zu haben sind.
»Ich glaube sicherlich, daß Du noch keine Austern gegessen hast? fragte Findling den Gourmand Bob.
– Niemals.
– Möchtest Du sie denn probieren?
– Ei, herzlich gern.«
Bob wollte so etwas immer gern. Hier kam er aber damit nicht weiter, als bis zu einem Versuche.
»Nein, da ist mir Hummer lieber! erklärte er.
– Du bist nur noch zu jung zum Austern essen, Bob.«
Und Bob erwiderte, er sehne sich gar sehr nach dem Alter, wo er diese Mollusken richtiger zu schätzen verstehen werde.
Am Vormittag des 19. Juni legten beide die Wegstrecke nach Wicklow zurück, dem Hauptorte der gleichnamigen Grafschaft, die an die von Dublin anstößt.
Von hier aus kamen sie durch die schönste und merkwürdigste Gegend von ganz Irland, die von Touristen fast ebenso viel besucht wird, wie das Seengebiet von Killarney, und die dem Blicke die entzückendste Abwechslung bietet. Da und dort streben Berge empor, die mit denen von Donegal und Kerry wetteifern können, schimmern herrliche Seen, wie die von Bray und von Dan, deren klares Wasser die Alterthümer an ihren Ufern wiederspiegelt. Ferner dehnt sich hier, längs des Ovocabettes, das Thal von Glendalough aus mit seinen epheuumrankten Thürmen, seinen alten Kapellen am Rande eines mit glitzernden Moränen besetzten Sees, und das Heilige Thal mit den sieben Kirchen von Saint-Kevin, wo die Wallfahrer aus dem ganzen Erin zusammenströmen.
Das
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