Der Findling
sich zugetragen hatte, und rief mit lauter Stimme:
»Ja… das war ein Unrecht, eine Schlechtigkeit von Euch!«
Und als er den größeren Burschen stärker ins Auge gefaßt hatte, setzte er hinzu:
»Uebrigens ist eine solche Bosheit von dem Grafen Ashton nicht zu verwundern!«
Hier stand in der That der Erbe des Marquis vor ihm. Die hochvornehme Familie hatte sich von Trelingar-castle aus nach diesem Seebade begeben und bewohnte seit dem Tage vorher eine der schönsten Villen des Ortes.
»Ah, das ist der Schlingel von Groom! versetzte mit verächtlichstem Tone der Graf Ashton.
– Gewiß!… Ich bin’s.
– Und, irre ich nicht, ist da auch der Köter, der meinen Wachtelhund todtgebissen hat?… Er ist also davon gekommen?… Ich glaubte ihm das Lebenslicht ausgeblasen zu haben….
– Es scheint nicht so, bemerkte Findling, der sich durch das hochmüthige Auftreten seines frühern Herrn nicht irre machen ließ.
– Nun, da ich Dich erwische, arger Schlingel, will ich gleich heim »zahlen, was ich Dir schulde, rief der Graf Ashton, mit geschwungenem Stocke auf ihn eindringend.
– Oder Sie… Sie werden vielmehr den Preis für Bobs Vögel zahlen, Herr Piborne.
– Nein… erst Du… dann ich!«
Damit schlug er schon mit seinem Stöckchen auf Findling los.
Dieser, obwohl jünger als sein Gegner, war ihm doch an Körperkraft gleich und an Muth überlegen. Mit einem Satze sprang er auf den Grafen Ashton zu, entriß ihm den Stock und versetzte ihm ein paar schallende Ohrfeigen.
Der Nachkomme der Piborne’s wollte Gleiches mit Gleichem vergelten… er kam jedoch gar nicht dazu. Im nächsten Augenblick lag er auf der Erde und Findling hielt ihn hier mit den Knien fest.
Seine beiden Kameraden wollten ihm zu Hilfe kommen. Da richtete sich jedoch Birk auf und zeigte ihnen knurrend die Zähne. Er würde den Bürschchen wohl übel mitgespielt haben, wenn ihn sein Herr, der wieder aufgestanden war, nicht gehalten hätte.
Dann wandte sich dieser an Bob.
»Komm her!« rief er ihm zu.
Ohne sich weiter um den Grafen Ashton und die beiden andern zu bekümmern, die sich wohl hüteten, mit Birk in Streit zu kommen, kehrten Findling und Bob nach ihrem Gasthofe zurück.
Nach einem für die Eigenliebe des jungen Piborne so unerquicklichen Auftritte schien es das beste, Bray schleunigst zu verlassen. Es mußte immerhin eine unangenehme Geschichte werden, wenn der Geschlagene, obwohl er der Angreifer war, Klage erhob. Bei richtiger Beurtheilung der menschlichen Natur hätte sich Findling freilich sagen müssen, daß der thörichte und eitle junge Mann sich hüten würde, ein Abenteuer, um dessenwillen er erröthen mußte, unter die Leute zu bringen. Da er dessen aber nicht ganz sicher war, beglich er seine Rechnung, spannte Birk vor den jetzt leeren Karren, und bald nach acht Uhr hatten Bob und er Bray schon verlassen.
Sehr spät am Abend desselben Tages kamen unsre jungen Reisenden in Dublin an, nachdem sie binnen drei Monaten von Cork aus eine Strecke von fast zweihundertfünfzig Meilen zurückgelegt hatten.
Zehntes Capitel.
In Dublin.
Dublin!… Findling in Dublin!… Jetzt gleicht er dem Thespisjünger der sich zum ersten Male in großen Rollen versucht oder von einer umherziehenden Gesellschaft an die Bühne der Großstadt übergeht.
Dublin, die Hauptstadt Irlands, hat eine Bevölkerung von dreihundertfünfundzwanzigtausend Seelen. Verwaltet von einem Lordmajor, der gleichzeitig Chef des Militärwesens und damit überhaupt der zweithöchste Beamte der Insel ist, während ihm vierundzwanzig Aldermen, zwei Sheriffs und hundertvierundvierzig Räthe zur Seite stehen, gehört Dublin mit zu den bedeutendsten Städten des britischen Inselreichs. Handelsthätig mit seinen Docks, gewerbfleißig mit seinen Fabriken, wissenschaftlich hervorragend mit seiner Universität und seinen Schulen, reichen hier dennoch weder die Workhouses für die Armen, noch die
Ragged-Schools
für die Verlassenen und Waisen aus.
Da er auf die letzteren beiden Anstaltsorte keine Ansprüche zu machen gedachte, mußte Findling also ein Gelehrter, ein Kaufmann oder Gewerbetreibender werden, wenn ihn die Zukunft nicht etwa zum Rentier machte.
Cork verlassen zu haben, bedauerte unser junger Held gewiß nicht, und furchtsam machte es ihn nicht, den Vorschlägen Grips, die ja mit seinen geheimen Wünschen so schön übereinstimmten, gefolgt zu sein. Auch der Gedanke, daß der Kampf ums Dasein bei den vielen Mitbewerbern hier weit schwerer werden
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