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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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um diesem seine Noth zu klagen.
    »Grip, eine Flasche, die man findet, gehört einem doch nicht?
    – Nein, ich glaube nicht, antwortete Grip. Hast Du denn eine Flasche gefunden?
    – Ja, und ich wollte sie Dir geben, und morgen hätten wir in der Nachbarschaft zu erfahren gesucht…
    – Wem sie gehörte?… fiel Grip ein.
    – Ja, und wenn wir uns erkundigten…
    – Sie haben Dir wohl die Flasche weggenommen? unterbrach ihn Grip.
    – Ja; Carker! Ich versuchte, sie ihm zu entwinden… und da waren die andern da… Ach, wenn Du hinunter gingst, Grip!
    – Ich werde hinuntergehen, und da werden wir schon sehen, wer die Flasche behält!«
    Als Grip aber die Kammer verlassen wollte, konnte er das nicht; die Thür war von außen verschlossen.
    Trotz seiner Bemühungen gab die Thür nicht nach, zur großen Freude der rohen Gesellen draußen, die von unten her riefen:
    »He, Grip!…
    – He, Findling!…
    – Auf Eure Gesundheit!«
    Da Grip die Thür nicht zu sprengen vermochte, fügte er sich wie gewöhnlich der Nothwendigkeit und bemühte sich nur, seinen erzürnten kleinen Freund zu beruhigen.
    »Lassen wir sie tollen, die ungezogenen Burschen! sagte er.
    – Oh, daß man nicht stark ist!
    – Wozu das?… Hier, Kleiner, hier sind noch Kartoffeln, die ich für Dich aufgehoben habe. Komm her, iß lieber….
    – Ich habe keinen Hunger, Grip!
    – Iß trotzdem, nachher wickeln wir uns ins Stroh, um zu schlafen.«
    Wenn Carker die Thür der Dachkammer versperrt hatte, so geschah das, um heute Abend jedenfalls nicht gestört zu werden. War Grip eingeriegelt, so konnte man beliebig sich dem Genusse des starken Getränkes hingeben, denn die alte Kriß, die ja auch ihren Theil davon erhielt, hatte gewiß nichts dagegen einzuwenden.
    Nun kreiste der Branntwein in allerlei Gefäßen. Alle heulten und schrien, denn es dauerte nicht lange, bis alle berauscht waren, mit Ausnahme Carker’s, der an starke Getränke schon gewöhnt war.
    Noch war die Flasche kaum halb leer, obwohl die Kriß tüchtig dazu mitgeholfen hatte, als die ganze Bande kaum noch ihrer Sinne mächtig war. Das Geschrei, das Lärmen und Toben vermochte aber doch nicht, O’Bodkins aus seiner gewohnten Gleichgiltigkeit aufzurütteln.
    Was ging’s auch ihm an, was da unten vorging, wenn er oben vor seinen Büchern saß! Davon hätte die Trompete des Jüngsten Gerichtes ihn nicht fortlocken können.
    Und doch sollte er heute sehr schnell aus seinem Zimmer getrieben werden – nicht ohne großen Nachtheil für seine Verantwortlichkeit.
    Nachdem etwa einundeinhalb Gallonen verzehrt waren, lagen die meisten Theilnehmer an der Orgie schon auf dem Stroh, und hier wären sie ohne Zweifel bald eingeschlafen, wenn Carker nicht auf den Gedanken gekommen wäre, noch einen »Brander« zu brauen.
    Ein »Brander« ist nämlich ein Punsch. Statt des Rums gießt man Gin zu ein wenig Wasser in einem Gefäß, zündet das Gemisch an und trinkt es noch ganz heiß.
    Das hatte denn auch Carker vor, zur großen Genugthuung der alten Kriß und zwei oder drei andrer, die sich noch auf den Füßen hielten. Wohl fehlten hier so manche Zusätze zu einem wirklichen Punsch. Die Insassen der Lumpenschule machten aber nicht so große Ansprüche.
     

    O’Bodkins entschloß sich endlich, sich selbst zu retten. (S. 60.)
     
    Sobald die Flamme in dem Suppenkessel – dem einzigen Gefäße, das die alte Kriß zur Verfügung hatte – aufloderte, begannen die, die noch nicht ganz zusammengebrochen waren, einen wilden Tanz um den Kessel. Wer jetzt auf der Straße vorübergekommen wäre, der hätte glauben müssen, eine Legion von Teufeln sei in die Schule eingedrungen. Dieses Stadtviertel war jedoch mit Eintritt der Dunkelheit meist schon sehr verlassen.
    Plötzlich leuchtete in dem Hause ein auffallend heller Schein auf. Das Gefäß, aus dem der brennende Gin emporflackerte, war durch Ungeschick umgestoßen worden, und schnell verbreitete sich die lodernde Flüssigkeit auf dem Stroh bis in alle Ecken des gemeinsamen Saales. Alle, die noch einigermaßen bei Sinnen waren, und alle, die durch das Knistern der Flammen aus dem Stroh aufgescheucht wurden, hatten nichts weiter zu thun, als die Thür aufzustoßen, die alte Kriß mit hinauszuschleppen und sich nach der Straße zu retten.
    In demselben Augenblick suchten auch Grip und der Findling, die ebenfalls erwacht waren, vergebens aus der von erstickendem Qualm erfüllten Dachkammer zu entfliehen.
    Der Brand war übrigens schon bemerkt worden. Mit

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